Wie eine halbe Billion Dollar die US-Klimatechnologien verändert​

Seite 2: "Wir stehen noch ganz am Anfang"

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Mit Hunderten Seiten ist das IRA ein umfassendes Dokument. Doch trotz all dieser Details und der Tatsache, dass es vor über einem Jahr veröffentlicht wurde, gibt es weiterhin offene Fragen zu einigen der wichtigsten Programme darin.

Eine wichtige Frage, die sich kurz nach der Unterzeichnung des Gesetzes stellte, war etwa, wie streng die Beschränkungen der Steuergutschriften ausgelegt würden. Jene für Elektrofahrzeuge setzten voraus, dass die Materialien und Komponenten entweder aus den USA oder aus Freihandelsabkommen stammen. Allerdings war aus dem Gesetzestext nicht sofort ersichtlich, wie der Prozentsatz der in den USA hergestellten Materialien und Komponenten berechnet werden sollte.

Es war Aufgabe der Steuerbehörde, diese Lücken zu schließen. Bisher hat es den Anschein, dass die Behörde mit den Erläuterungen, die sie zu diesen Gutschriften herausgegeben hat, einen nachsichtigen Ansatz verfolgt, sagt King.

Ebenfalls offen ist die Frage, wie die Behörde eine weitere Klausel in den Elektrofahrzeug-Steuergutschriften näher definieren wird, die Fahrzeuge mit "ausländischen Unternehmen" in der Lieferkette ausschließt. Möglicherweise soll diese Klausel China ins Visier nehmen, das den größten Teil der Produktion von Elektrofahrzeugen kontrolliert – einschließlich der Batteriematerial-Aufarbeitung und der Herstellung von Komponenten, sagt King.

Diese Beschränkungen sollen ab 2024 in Kraft treten und könnten, je nach Auslegung, die Zahl der die für Steuergutschriften infrage kommenden Fahrzeuge einschränken. Das wiederum könnte zu einer geringeren Finanzierung von E-Fahrzeugen und damit zu weniger E-Fahrzeugkunden führen.

Eine der heikleren offenen Fragen des IRA betrifft ein Steuergutschriftprogramm für Wasserstoff. Wasserstoff hat ein breites Spektrum an potenziellen Anwendungen für die Klimatechnologie: Er kann als alternativer Treibstoff für Flugzeuge oder Fahrzeuge verwendet werden und wird auch zur Herstellung von Chemikalien wie Ammoniak eingesetzt, das in Düngemitteln verwendet wird.

Heute wird Wasserstoff fast ausschließlich mit fossilen Brennstoffen hergestellt. Das Gas kann aber auch mithilfe von Elektrizität erzeugt werden – und wenn diese Elektrizität aus erneuerbaren Quellen wie Wind und Sonne stammt, entsteht "grüner Wasserstoff" als emissionsarmer Kraftstoff.

Der IRA sieht Steueranreize für grünen Wasserstoff vor. Die Details darüber, welche Projekte dafür infrage kommen, sind jedoch von entscheidender Bedeutung, meint Gopal. Viele Elektrolyseure, die Wasserstoff mithilfe von Strom erzeugen, sind nicht direkt an ein Solarpanel oder eine Windturbine angeschlossen. Stattdessen hängen sie am Stromnetz, das aus verschiedenen Quellen gespeist werden kann.

Die Erzeugung von Wasserstoff mithilfe von Strom aus einem Netz, das hauptsächlich mit fossilen Brennstoffen betrieben wird, könnte die Gesamtemissionen sogar noch erhöhen. Daher erfordern Anreize für Wasserstoff "mehr Sorgfalt" als Technologien wie Elektrofahrzeuge, die fast immer zu Emissionssenkungen führen, sagt Gopal.

Eigentlich sollten Regeln darüber, welche Wasserstoffquellen für einen Teil der IRA-Mittel infrage kommen, innerhalb eines Jahres nach der IRA-Verabschiedung vorgestellt werden. Allerdings hat die Biden-Regierung diese Frist versäumt. Die Regeln werden sich nun mindestens bis Oktober verzögern, und es könnte bis Dezember dauern, bis es mehr Klarheit über dieses wichtige Programm gibt.

In der Zwischenzeit bleibt es blanke Theorie, wie sich all diese neuen Finanzierungsquellen in Emissionsreduzierungen niederschlagen werden. Analysten und Forscher schätzen, dass der IRA den USA helfen könnte, ihre Emissionen bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2005 zu senken. Das ist zwar immer noch schlechter als das in internationalen Vereinbarungen festgelegte Ziel, die Emissionen um die Hälfte zu reduzieren. Aber für den weltweit größten historischen Emittenten von Treibhausgasen ist das eine erhebliche Verbesserung.

Laut Hughes-Cromwick stellt die gesamte Finanzierung durch den IRA eine bedeutende Anzahlung für die Klimaschutzmaßnahmen der USA dar. Schon jetzt stecken private Unternehmen Milliarden in die Entwicklung neuer Klimatechnologien. Wenn mehr öffentliche und private Gelder in die Produktion und den Einsatz fließen, kann dies zu niedrigeren Preisen und einer höheren Akzeptanz der Technologien führen, die zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen können, fügt sie hinzu. "Wir stehen noch ganz am Anfang. Sehen Sie sich an, was wir nach einem Jahr erreicht haben. Können Sie sich vorstellen, was wir in zehn Jahren mit dieser Unterstützung sehen werden?"

(jle)