iPad Pro M4 und iPad Air M2 ausprobiert: Mit Leichtigkeit zu neuen Erfolgen?

Apple hat sein Tablet-Flaggschiff und die Mittelklasse erneuert. Wie schwer wiegt das Argument der Leichtigkeit für die Zukunft des iPads? Eine Zwischenbilanz.

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Das neue iPad Pro von Apple

Das neue iPad Pro mit M4 von Apple erscheint am Mittwoch.

(Bild: mki / heise online)

Lesezeit: 11 Min.
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Eines der Kinder hat die Vorzüge des neuen iPad Pro schnell erfasst: "Meine Güte, ist das dünn", sagt die neunjährige Tochter beim Anblick des nur 5,3 Millimeter tiefen 11-Zoll-Modells. Und auch der neue OLED-Bildschirm wird sofort als Verbesserung bezeichnet: Die Farben seien besser und irgendwie erstrahle das Display heller, so das kindliche Urteil. Ganz zu schweigen davon, dass Schwarz in der Anzeige nun wirklich Schwarz ist, wie man es schon vom iPhone kennt.

Besonders für Nutzer eines 11-Zoll-Geräts ist der Bildschirm eine erhebliche Veränderung, hatte Apple doch in dieser Größe den Wechsel auf Mini-LEDs ausgelassen. Die Ergebnisse der Labortests dürfen mit Spannung erwartet werden – sie sind Teil der ausführlicheren Tests, die von Mac & i vorgenommen und in einem eigenen Artikel veröffentlicht werden. So viel sei verraten: Das Tandem-OLED-Display hält bei unserem Ausprobieren auch dem Test in der prallen Sonne stand und ist noch gut abzulesen.

Apples bewährte Aha-Moment-Formel beim iPad könnte also abermals aufgehen. Ein besserer Bildschirm und insgesamt ein Gerät, das in Gewicht und Größe immer mehr einer dünnen Scheibe als einem Computer ähnelt, sind zwar in der nunmehr 14-jährigen Geschichte des Tablets alte Bekannte bei den Verkaufsargumenten und manch einem geht das Streben nach Schlankheit längst zu weit. Doch damit lässt sich offenbar weiterhin gut Fortschrittlichkeit und Veränderung vermitteln – und das allen Unkenrufen, dass danach keiner gerufen hat, zum Trotz.

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Und tatsächlich gibt es ja gute Gründe, das Tablet noch dünner und leichter zu machen. Das iPad ist einst angetreten, eine ultraportable Alternative zum Notebook zu sein. Zuletzt näherten sich Mac und iPad bei voller Zubehörausstattung in der Gewichts- und Größenklasse immer mehr an. Apple will mit dem neuen iPad Pro offenbar den alten Vorteil wieder stärker herausarbeiten. Das gelingt: Das 11-Zoll-Gerät, das wir mehrere Tage testen konnten, ist ein Federgewicht. Eine regelrechte Entlastung für die Arbeitstasche und auch in der Freizeit schnell und vor allem leicht zur Hand, wenn man abends auf dem Sofa im Netz surfen oder Serien und Filme anschauen möchte. So macht ein Tablet Spaß.

Auf den zweiten Blick kommen aber dann doch jene Zukunftsfragen auf, die ebenfalls zu den alten Bekannten zählen. Denn im Moment ist das iPad weiterhin vor allem bei der Hardware progressiv: Der M4-Chip, der nötig gewesen sei, um das Tandem-OLED-Display zu bauen, und mit der besseren Neural Engine ordentlich KI-Power mitbringen soll, das Display mit seinem bestechenden Schwarzkontrast und das gut transportable Gerät – all das schafft Rahmenbedingungen für etwas, was die Software bisher nicht zur Zufriedenheit aller ausfüllt. Ein Geekbench-Test zeigt, dass Apple beim M4 eher untertreibt – vermutlich, um Käufer eines M3-Mac nicht zu betrüben: Mit Werten von 3778 im Single-Core-CPU-Test und 14.518 beim Multi-Core-Score wurde der M3 mit 3100 (Single Core) und rund 12.000 (Multi-Core) mal eben in den Schatten gestellt.

Aber was bringt ein hochmotorisiertes Fahrzeug, wenn es keine Autobahn gibt? Zumindest beim Thema Künstliche Intelligenz darf man optimistisch sein, dass Apple nach all den Ankündigungen im Juni auf der Entwicklerkonferenz WWDC Leben in die Prozessorbude bringt. Beim Betriebssystem iPadOS ist hingegen verhaltener Optimismus angesagt. Schon seit Jahren experimentiert Apple nur sehr vorsichtig, mehr Multitasking zu ermöglichen, und das Betriebssystem so umzubauen, dass es tatsächlich mehr dem Mac ebenbürtige Apps ermöglicht und etwa in der professionellen Podcast-Produktion nicht nur ein Spielplatz für Idealisten ist, die gewillt sind, abenteuerliche Workarounds zu konstruieren, die auf dem Mac nicht nötig sind.

Es ist eine Gratwanderung zwischen der Einfachheit, die viele am iPad wertschätzen, und einer höheren Flexibilität, die zwangsläufig auch mit Komplexität einhergeht. Ob es gleich eine Parallelinstallation von macOS sein muss, wie sie einige fordern, ist fraglich. Aber vielleicht ist das "eine" iPadOS für alle Anwendungsfälle kein Modell mit Zukunft. Wahrscheinlich braucht es einen Fortgeschrittenen-Modus, einen Wahlschalter, wie es ihn in vielen Einstellungen längst gibt.

Wie positiv sich Liebe zum Detail und mehr Möglichkeiten auswirken können, zeigt sich jetzt schon am Zubehör. Die hinzugefügte Funktionstasten-Reihe des erneuerten Magic Keyboard ist nützlich. Der Mischmasch zwischen Tastatur- und Trackpad-Steuerung und Touch wird dadurch reduziert – Nutzer können noch mehr vom Magic Keyboard aus erledigen. Dazu passt gut, dass die neue Aluschale der Handablage ein Handschmeichler ist, zumindest mehr als die bislang gummierte Oberfläche, die aber auf den Unterseiten weiterhin für Halt sorgen soll. Der Tastenanschlag ist gemessen am vorherigen Magic Keyboard nicht signifikant besser geworden, bewegte sich dort aber bereits auf hohem Niveau. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die recht schmalen Umlaute-Tasten der 11-Zoll-Version des Keyboards.

Ähnliche Verbesserungen beim Pencil Pro: Die Squeeze-Funktion verleiht dem Stift nach vielen Jahren erstmals eine direkt am Stift spürbare Interaktion. Durch Zusammendrücken wird rund um die Stiftspitze ein Menü geöffnet. Mehrere Kreativ-Apps zeigen bereits, wie nützlich das ist, wenn etwa beim Malen viel schneller und an Ort und Stelle der Pinsel oder die Farbe gewechselt werden können. Bislang mussten dafür Menüelemente an den Rändern des Displays bemüht werden. Software kann durch die neuen On-Demand-Menüs sogar noch aufgeräumter daherkommen, weil bestimmte Optionen künftig nur bei Bedarf angezeigt werden müssen.

Das haptische Feedback im Stift gibt dem Nutzer das Gefühl, dass er diesen Stift wirklich zusammendrücken kann – eine perfekte Illusion, wie sie einst bereits beim Home-Button auf dem iPhone beeindruckte. Vielleicht lässt sich Apple in iPadOS 18 noch mehr hierfür einfallen. Ein neu eingebautes Gyroskop sorgt dafür, dass unterschiedlich geformte Pinsel kreativ eingesetzt werden können. Wer allerdings einen alten Pencil zum neuen iPad umziehen möchte, muss vielfach erneut das Portemonnaie öffnen: Lediglich der jüngste Pencil mit USB-C ist kompatibel – der Pencil der 2. Generation ist wegen Umbaus des Lade- und Befestigungssystem zugunsten der neuen Querformat-Frontkamera nicht mehr einsetzbar.

Das neue iPad Pro ist auch das iPad des großen Aufräumens: Apple hat sich von einigen Dingen getrennt. EU-Käufer suchen vergeblich ein Netzteil und die beliebten Aufkleber – beides fällt der Nachhaltigkeit wegen weg. Ein kleiner Aufreger ist vorprogrammiert.

Ob die Ultraweitwinkelkamera auf der Rückseite auch so stark vermisst wird, gilt es abzuwarten. Ein TrueTone-Blitz soll zumindest das offenbar recht populäre Dokumentenscanning per Abfotografieren nicht schlechter werden lassen. Das Smart Keyboard Folio wurde in Rente geschickt und das iPad Pro lässt auch eines von bislang fünf Mikrofonen vermissen – mit welchem Unterschied, müssen die detaillierteren Tests zeigen. Bei beiden neuen iPads, die vorgestellt wurden, können in den Cellular-Modellen, die 5G unterstützen, nur noch E-SIMs eingesetzt werden – Plastikkarten gehören der Vergangenheit an. Möglicherweise ist dies bereits ein Fingerzeig auf die iPhones im Herbst.

Wenig Kummer dürfte die längst überfällige Entscheidung auslösen, die Frontkamera ins Querformat zu verlegen, wo sie die meisten nutzen dürften. Das Vorbeigucken am Gesprächspartner in Videotelefonaten dürfte damit Vergangenheit angehören.

Apropos überfällig: Auch die Erhöhung der Standardspeicher-Ausstattung von 128 auf 256 Gigabyte fällt in diese Kategorie. Kleine Wermutstropfen bleiben dennoch für jene, die die beiden kleineren Speicherausstattungen kaufen: Apple spart einen Effizienzkern beim M4 ein, baut 8 statt 16 GB RAM ein und verwehrt bedauerlicherweise den Zukauf der Nanotextur beim Displayglas.

Das iPad Pro mit M4 ist trotz vieler evolutionärer Schritte zweifellos die größte und mit Abstand am stärksten spürbare Veränderung des Geräts seit vielen Jahren – dafür sorgen alleine Display, Dicke und Gewicht sowie das Gesamtpaket mit neuem Pencil und Magic Keyboard. Ob es eine Änderung ist, die allen schmeckt, werden unter anderem die weiteren Erkenntnisse über die Akkulaufzeit zeigen. Hierzu wird es in gewohnter Weise intensive Tests von Mac & i geben, die darüber Aufschluss geben. Hardwareverbesserungen alleine werden aber auf Dauer nicht genügen, um dem iPad mit Leichtigkeit zu neuen Verkaufsrekorden zu verhelfen. Der Blick richtet sich mit Spannung auf den Juni und die Vorstellung von iPadOS 18.

Für weitere Details und Messergebnis zum neuen iPad Pro sei der Test von Mac & i empfohlen.