VWs Mildhybrid Golf 1.0 eTSI im Test: guter Antrieb, schlechte Software

Seite 2: Der Antrieb des Jahres

Inhaltsverzeichnis

Der TFT-Tacho hinter dem Lenkrad des Golfs sieht auf den ersten Blick wie beim Vorgänger leicht überladen aus, doch mit der Zeit lernt man die umfangreiche Berichterstattung dort schätzen. Insgesamt würde ich sagen: Das Infotainment ist in etwa das, was VW-Kunden erwarten. Es funktioniert nach der Eingewöhnungszeit gut – wenn es funktioniert. Es fehlt immer irgendwo ein Komma, es gibt keine fehlerfreien Autos, aber so etwas wie im Golf habe ich noch nicht erlebt. Im ID.3 übrigens dasselbe Drama.

Martin hat sich schon zur Anfassqualität bei Volkswagen geäußert. Dieser Text lässt das Thema bewusst außen vor, weil sich Kunden entweder Martins Text holen oder selber anschauen können, ob es ihnen etwas ausmacht, dass zum Beispiel das Plastik der Kofferraumverkleidung direkt auf den Lack scheppert. Bei Bewertungen zu "wie premium ist dieses Plastik?" halte ich mich seit jeher zurück, weil sich meine Ansichten dazu nur geringfügig mit jenen der Hauptkundschaft decken.

Kommen wir nach diesen unangenehmen Nachrichten zu etwas Angenehmerem: Der Hybrid-Dreizylinder ist toll. Der kleine 48-V-Elektromotor bremst situativ mit und packt die im 250-Wh-Akku unter dem Beifahrersitz gespeicherte Energie bei der nächsten Beschleunigung drauf. Bis zu 9 kW Antriebsleistung und bis zu 12 kW Bremsleistung sind drin, ebenso wie bis zu 180 Nm Drehmoment. Das ändert GAR NICHTS an den Nennwerten des aus dem TSI bekannten Motors, es ändert aber ALLES im Fahrgefühl.

VW Golf 1.0 eTSI innen (23 Bilder)

Die Sitze sind bequem, sehen allerdings weniger gut verarbeitet aus als früher. Ob sie kürzer halten, müssen wir abwarten.
(Bild: Clemens Gleich)

Wie der 1.5 eTSI fühlt sich auch der Einliter-Motor deutlich stärker an, als seine Nennleistung (81 kW / 110 PS) vermuten ließe. Der Antritt aus dem Stand ist fast schon zu dolle im Winter: Der Golf scharrt an Einfahrten oder Ampeln seine Vorderhufe im Winter schon bei eher geringen Pedalbewegungen. Toller Antritt, tolles Konzept! Ich lehne mich nur ein kleines, konservatives Stück aus dem Fenster, wenn ich behaupte: Dieser Motor ist der beste für den Golf. Er kann einfach alles gut genug. "Rightsizing", sagt der Brite.

Denn das KBA hat dieses Modell mit 202 km/h Topspeed zugelassen, die es mit etwas Anlauf erreicht. Der Etsi fährt folglich alle üblichen Autobahntempi problemlos mit, und brummt selbst bei Höchstgeschwindigkeit nur leise aus dem Motorraum. Bei Bleifuß und Verkehr verbrauchte er 8,6 Liter Benzin auf 100 km, bei freier Bahn 12,1 Liter, doch viel interessanter der Benchmark: Bei der deutschen Autobahn-Richtgeschwindigkeit von 130 km/h maximal verbrannte er bei einstelligen Plusgraden nur 5,4 Liter Benzin auf 100 km, wobei die interne Anzeige tief stapelte mit der Behauptung "6,0 Liter". Vielleicht sollte man mehr effiziente Dreizylinder mit per Riemen angehängten Gabelstaplermotoren steuerlich begünstigen statt wie jetzt ineffiziente Plug-in-Hybride.

Selbst VW-Hasser, ja: allgemeine Neuwagenhasser sagten meist: "... der Motor ist gut", weil es eben stimmt. Mein persönlicher Motor des Jahres, ungelogen, und das Jahr enthielt immerhin Porsches 718 Spyder und den Taycan. Das größte Glück der größten Zahl liegt jedoch eindeutig in diesem Mildhybrid. Die Frage ist höchstens, ob das subjektiv stärkere Fahrgefühl den Aufpreis gegenüber dem 110-PS-Dreizylinder ohne e-Unterstützung wert ist.

Über das Front-Design sollen sich die Leute wieder ohne mich streiten. Ich vertraue darauf, dass Sie selber wissen, was Ihnen gefällt. Konzentrieren wir uns auf die Technik: Fahrwerk konservativ-sicher, aber nicht vollkommen freudlos. Aerodynamik besser als viele Elektroautos. Dieser Golf fährt schon auf der Landstraße leiser als ein Tesla Model 3, bei 130 sowieso, und über 200 müssen wir nicht sprechen, denn das interessiert den Tesla-Fahrer aufgrund der Kürze dieses Erlebnisses wohl nicht weiter.

Nun ist das Model 3 natürlich besonders laut, aber es gibt insgesamt wenige Autos mit leiserer Kabine als dieser Golf – Antrieb egal, Klasse egal. Wer einen Kompaktwagen sucht, der wirklich alles kann von "ums Eck Brötchen holen" bis "durchblockern nach Rimini", ist beim Golf 1.0 eTSI sehr gut aufgehoben. Mein Rat wäre nur: Warten Sie ab, bis Wolfsburg einen weiteren Berg von Bugs behebt, bevor Sie kaufen.