VW Golf GTE mit Plug-in-Hybrid im Test: Der perfekte GTI-Ersatz?

Seite 2: Empfehlung und Fazit

Inhaltsverzeichnis

Auch in meinen Augen passt jedoch der sportliche Anstrich allerdings besser zu einem GTI mit drehfreudigem Zweiliter-Sportturbo als zu diesem PHEV mit Trainingsanzug. Die Leistungsabgabe des Vierzylindermotors im GTE ist weitgehend linear. Aber zum Sporteln und emotionalen Kurvenausloten animiert hier ebensowenig wie in einer Mercedes E-Klasse (Test). Das macht der Golf zwar alles ohne Probleme mit, aber mit dem spröden Charme des Einserschülers. Zugegebenermaßen verkaufen sich E-Klassen besonders gut in den AMG-Versionen, die ihr Alleinstellungsmerkmal Federungskomfort für substanzfreie Kraftmeierei eintauschen.

Insofern könnte der GTE trotz oder wegen seines nicht ganz runden Fahrerlebnisses auf Kundenliebe stoßen. Ein Golf e-Hybrid mit gleichem, nur leicht gedrosselten Antrieb und komfortablerer Abstimmung dürfte das stimmigere, rundere Auto sein und kostet etwas weniger. VW verspricht für den GTE auf Papier 62 km Reichweite. In der frühwinterlichen Stadtverkehrsrealität schrumpft das auf maximal 43 km zusammen, was einem Verbrauch von 25 kWh/100 km entspricht.

Da ist man für jeden Mehrkilometer des eHybrid dankbar, der laut offiziellen Angaben 14 Prozent weiter kommen soll. Die Ladetechnik des GTE ist auf demselben überschaubaren Niveau wie bei allen PHEV von VW. Serienmäßig kann mit maximal 2,3 kW geladen werden. Damit dauert eine Ladung von null auf 100 Prozent minimal fünf Stunden. Für 170 Euro Aufpreis bekommt man ein Kabel, das 3,6 kW Ladeleistung und eine Komplettladung in 3 Stunden und 40 Minuten ermöglichen soll.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Preisvergleich (heise Preisvergleich) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (heise Preisvergleich) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Übergreifend ist das Gefühl, dass sich Nummer 8 noch einen Tick geschmeidiger und erwachsener fährt als der ohnehin schon klassenbeste Vorgänger-Golf. Ob über schlechte kurvige Landstraßen oder lange Autobahnpassagen, der Golf 8 vermittelt noch mehr "Erwachsenheit" als sein in der Summe seiner Fahreigenschaften bereits herausragender Vorgänger. Eine tolle Sache ist auch die neue Progressivlenkung, die beim GTE zum Serienumfang gehört. Sie macht den Golf besonders wendig, verhilft ihm zu einem noch stoischeren Geradeauslauf, fällt aber allenfalls im direkten Vergleich mit einem Fahrzeug ohne diese Ausstattung auf. Perfekt.

Die Sportsitze des GTE haben aber leider im Vergleich zum Vorgänger ihre Perfektion eingebüßt. Sie sind jetzt zu schmal. Ihre Flanken zwicken fülligere Staturen leider. Die Lordosenstütze passt sich nur horizontal, nicht vertikal an. Dem gegenüber stehen geniale Detaillösungen wie der einfache Wechsel vom manuellem Schalt- zum Automatikmodus des Getriebes per langem Zug an der Schaltwippe. Das würde man sich so standardmäßig in jedem Fahrzeug wünschen. Das teure LED-Matrixlicht gehört weit über die Golf-Klasse hinaus zu den besten Lichtquellen im PKW. Es nimmt langen Nachtfahrten bei übler Witterung viel von ihrer Gefahr und Anstrengung. Schade ist aber, dass sich das Head-up-Display (700 Euro Aufpreis) nicht im idealen Blickfeld einblenden lässt. Es liegt immer störend hoch. Wenn man es richtig einstellt, werden die Anzeigen unten abgeschnitten.

Wie bei allen PHEV der Kompaktklasse muss auch im Golf GTE auf einen klassenüblichen Kofferraum verzichtet werden. Das Akkupaket kostet rund 110 Liter Gepäckraumvolumen. Die verbleibenden 273 bis 1129 Liter liegen kaum über denen eines knapp 700 mm kürzeren VW Up (Test) mit seinen 250 bis 923 Litern. Allerdings sitzt es sich im Golf-Fond deutlich besser, obwohl der Up in dieser Disziplin durchaus positiv überraschen kann.

Mit fast 43.000 Euro in Grundausstattung ist der Golf GTE leider nochmals teurer geworden. Ein gut, aber nicht voll ausgestatteter GTE ohne Leder, Schiebedach und Standheizung kommt auf 52.000 Euro. Dafür erhält man einen Golf, der nicht so problemlos funktioniert, wie man es bisher erwarten konnte. VW hat versäumt, alte Stärken zu bewahren und die vielleicht notwendige Modernisierung in den Dienst des Kunden zu stellen. Der disruptive Führungsstil von Herbert Diess führte zum Umbruch: Er wurde als VW-Markenchef abgelöst.

Leider ist der neue Golf mit seiner unausgegorenen Software stark gehandicapt. Das ist besonders schade, weil er die hohen Erwartungen an Fahrwerk und Komfort sogar noch übertrifft. Den Sinn eines GTE verstehen wir nicht ganz. Er ist allenfalls im Auftritt begründet, der scheinbar Sportlichkeit und alternativen Antrieb zusammenbringt. Wenn es unbedingt ein PHEV-Golf sein muss, sollte man vernünftigerweise zum eHybrid greifen. Unser Tipp wäre allerdings der Einstiegsmildhybrid mit Dreizylinder, den Clemens Gleich fuhr.

In jedem Fall würden wir empfehlen, eine umfassende Softwareüberarbeitung abwarten. Wenn man den Golf unbedingt jetzt schon will, sollte man auf jeden Fall so wenig Assistenzsysteme wie möglich bestellen. Bei Bedarf lassen sich diese Features nachträglich freischalten, wenn die VW-Softwareentwickler ihren Job nachgeholt haben. Ein ordentlich ausgestatteter Golf 8 kann problemlos in den 40.000-Euro-Bereich vorstoßen. Für unseren Test-GTE mit Stoffsitzen, ohne Schiebedach wären 52.000 Euro fällig. Für dieses Geld gibt es auch gute Konkurrenten ohne Softwarefehler – teilweise sogar in höheren Fahrzeugklassen.

Die Kosten für die Überführung hat VW übernommen, jene für Benzin und Strom der Autor.