Moto Guzzi V85 im Test: Dynamisch und sparsam dank variabler Steuerzeiten

Seite 2: Moto Guzzi V85

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Ich wechsle auf die Autobahn, wo der Windschild erfreulich gut schützt, lediglich die Windgeräusche sind deutlich vernehmbar. Der 2024er-Modelljahrgang der V85 erweist sich als spürbar durchzugsstärker im Vergleich zur Vorgängerin, hier macht sich die neue, variable Ventiltechnik bemerkbar. Für Überholvorgänge genügt ein Dreh am Gasgriff, es muss nicht zurückgeschaltet werden, um zügig vorbeizukommen. Die Leistungskurve des überarbeiteten Motors ist zwischen 6000 und 7000/min identisch mit der des Vorgängers, darüber bis zum roten Bereich bietet er vier Mehr-PS in der Spitze, was zu einer minimal höheren Endgeschwindigkeit führt, Moto Guzzi gibt glaubwürdige 195 km/h an. Für eine Reiseenduro halte ich das für völlig ausreichend.

Moto Guzzi V85 (7 Bilder)

Die V85 TT sieht durch ihre herrliche rot-weiße Lackierung, dem roten Rahmen, Motorschutzplatte und Handprotektoren zwar mehr nach Enduro aus, hat aber die gleichen Federwege von 170 mm vorne und hinten.
(Bild: Moto Guzzi)

Dann kommt endlich die Ausfahrt zum Kurvenglück. Die Landstraße windet sich atemberaubend durch die Berge. Hier fällt die Strada durch sehr neutrales Fahrverhalten auf. Sie trifft präzise die Linie und ist in Schräglage durch nichts zu erschüttern. Vor allem lässt die V85 sich mit wenig Kraftaufwand abwinkeln. Sie umrundet selbst enge Kurven erstaunlich flott, was bei einem Radstand von 1530 mm, einem Nachlauf von 128 mm und 62 Grad Lenkkopfwinkel nicht unbedingt zu erwarten war. Die Brembo-Monoblock-Bremszangen beißen am Vorderrad ordentlich, aber nie wirklich aggressiv zu. Die beiden 320 mm großen Bremsscheiben wurden um 290 Gramm erleichtert, was die ungefederten Massen reduziert. Die V85 verfügt serienmäßig über neu abgestimmtes Kurven-ABS und Schlupfregelung.

Ich wechsle nach einiger Zeit auf die V85 TT. Sie sieht durch ihre herrliche rot-weiße Lackierung, dem roten Rahmen, Motorschutzplatte und Handprotektoren zwar mehr nach Enduro aus, die Federwege sind aber mit 170 mm vorne und hinten identisch zur Strada. Allerdings kann an der TT per außenliegendem Handrad rasch die Vorspannung des hinteren Federbeins verstellt werden. Sie hat die gleichen Raddimensionen wie die Strada, rollt aber auf Drahtspeichenfelgen, die einen Hauch mehr Nachdruck beim Einlenken verlangen. Der Fahrspaß wird dadurch aber nicht getrübt. Verblüffend hoch ist der Grip der Michelin-Anakee-Adventure-Reifen, selbst als die Fußrasten schon auf dem Asphalt kratzen – was gelegentlich vorkommt –, bieten die Pneus beruhigend viel Haftung.

Mit der TT biege ich schließlich auf eine Schotterstrecke ab. Im Gegensatz zur Strada verfügt sie nicht nur über die Fahrmodi Sport, Road und Rain, sondern zusätzlich noch über einen Off-Road-Modus, der das ABS am Hinterrad abschaltet und vorn sensibler regelt. Die Schlupfregelung bleibt in dem Modus aktiv, auch wenn sie erst spät eingreift, aber für den Geländeeinsatz kann man sie über das Menü zum Glück ganz deaktivieren. Die TT lässt sich erstaunlich gut im Stehen fahren, da sie in der Taille recht schmal geraten ist und der Lenker hoch genug reicht. Schotterpisten nimmt sie lässig, sogar kontrollierte Drifts sind mit ihr bei ausgeschalteter Schlupfregelung möglich, ein leichter Dreh am Gasgriff genügt. Bei einem Leergewicht von 230 kg und ohne Zylinder-Sturzbügel, die es gegen Aufpreis gibt, verzichte ich auf einen Ausritt in schwierigeres Gelände.

Wieder auf dem Asphalt, steige ich auf das dritte Modell, die V85 Travel. Sie basiert auf der TT, verfügt aber zudem serienmäßig über einen Windschild mit Deflektoren für besseren Schutz, Heizgriffe, beheizbare Sitzbank, zwei Koffer und das Smartphone lässt sich per Bluetooth mit der Bordelektronik verbinden. Außerdem bietet die Travel noch einen Custom-Modus an, der bei den anderen beiden Modellen Aufpreis kostet. Hier lässt sich die Gasannahme, die Schlupfregelung und das ABS individuell einstellen. In den rechten Koffer passen 37 Liter Volumen, der linke Koffer ist wegen des Auspuffs zehn Liter kleiner. Für einen Solo-Urlaub reichen sie jedenfalls aus.

Auch auf der Travel fühle ich mich auf Anhieb wohl, die zehn Kilogramm Mehrgewicht sind während der Fahrt nicht spürbar. Die V85 Travel schwingt genauso locker durch die Kurven, wie die leichteren Versionen. Die Bremsen ankern sicher und beim Beschleunigen aus Kurven selbst auf schlechtem Asphalt zieht die Moto Guzzi stets souverän voran.

Die V85 flößt in allen drei Versionen rasch viel Vertrauen ein. Sie bleibt stets berechenbar, liefert immer genügend Kraft ohne hektisch zu werden und das macht sie letztendlich schnell. Auch nach gut 200 km Landstraßenhatz fühle ich mich noch absolut fit, der Komfort der V85 ist wirklich bemerkenswert. Im Schnitt verbraucht sie laut Bordcomputer 4,7 Liter auf 100 Kilometer, was ihr eine theoretische Reichweite von 489 Kilometer beschert.

Moto Guzzi bietet die Strada für 12.499 Euro an, die TT kostet 13.499 Euro und die am besten ausgestattete Travel 14.999 Euro. Das ist nicht ganz billig für einen luftgekühlten Zweiventil-Motor, aber es war schon immer etwas teurer, einen exklusiven Geschmack zu haben. Dazu lassen sich drei V85 noch mit jeder Menge Zubehör optimieren. Der überarbeitete Motor mit der variablen Ventilsteuerung bietet tatsächlich souveränere Fahrleistungen und wertet die V85 damit auf. Tourenfahrer werden ihre helle Freude an ihr haben, aber auch die abendliche Hausrunde wird zum Vergnügen, egal für welche der drei Versionen der Käufer sich entscheidet.