Streiks in Hollywood: Die Streaming-Dürre ist nicht mehr abwendbar​

Seite 2: Hilfe aus dem Ausland

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Für die US-Dienste ist es in der Regel jetzt zu spät, ausländische Produktionen komplett neu zu starten. Sie würden auch die anstehende Dürrezeit nicht überbrücken können. Netflix hat aber bereits 2012 angefangen, sich international breit aufzustellen – zuerst mit der norwegisch-US-amerikanischen Krimiserie "Lilyhammer". Das dürfte sich nun auszahlen.

So veröffentlichte Netflix zu Beginn dieses Jahres einen Trailer für über 20 neue spanische Filme und Serien, darunter ein Ableger der Erfolgsserie "Haus des Geldes". Ende April gab Co-CEO Ted Sarandos dann bekannt, man werde in den kommenden vier Jahren zweieinhalb Milliarden US-Dollar in Korea investieren, um Fernsehserien, Filme und Drehbücher zu produzieren. Und schließlich ist davon die Rede, dass Netflix im kommenden Jahr mehr deutsche Produktionen veröffentlichen wird als je zuvor.

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Allerdings bewirbt Netflix die Internationalisierung nicht explizit mit Bezug auf die Streiks – wohl, um in Hollywood nicht als schwarzes Schaf dazustehen, das die Streikenden auflaufen lässt. Und auch Netflix kann die enormen Auswirkungen der Streiks nicht komplett umschiffen: Zweifellos stehen Hollywood-Produktionen, auch und gerade bei den deutschen Nutzern, hoch im Kurs und machen einen großen Teil des Erfolges des Dienstes aus.

Trotzdem dürfte Netflix in die Hände spielen, dass andere Streaming-Anbieter wie Disney aktuell finanziell etwas klamm sind und sich daher darauf einlassen müssen, Lizenzen an konkurrierende Dienste abzugeben. Allerdings wird man abwarten müssen, wie gut sich die Löcher damit stopfen lassen – zumal ja auch dort kaum neuer Content nachkommt.

Was viele in Deutschland oft nicht mitbekommen: Die Streiks legen nicht nur die Film- und Serienproduktionen in Hollywood lahm, sondern ebenso die in den USA so beliebten Late-Night-Talkshows – zum einen, weil deren Gagschreiber die Arbeit niedergelegt haben, zum anderen, weil Schauspieler als Gäste ausfallen. Die machen auf Weisung ihrer Gewerkschaft nämlich keine Werbung für ihre laufenden Filme.

Das wird die Studios aber auch zum Problem hinsichtlich der Filme, die fertig produziert sind und eigentlich in den kommenden Wochen und Monaten ins Kino kommen sollten. So möchte Warner offenbar nicht auf die Promo-Kampagnen mit den Schauspielern verzichten und verschob jüngst den Kinostart von "Dune 2" vom 2. November 2023 auf den 15. März 2024 (in Deutschland eventuell einen Tag früher) – nachdem das Studio kurz zuvor Trailer zur Fortsetzung veröffentlicht hatte. Und mit dem Kinostart verschiebt sich natürlich auch die Heimkino-Auswertung.

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Variety deutet das neue Veröffentlichungsdatum von "Dune 2" als Zweifel der Studios daran, dass der Schauspieler-Streik bis November beigelegt wird. Nach Angaben des Branchenmagazins würde bei Warner daher auch diskutiert, ob man die Kinostarts der Neuverfilmung von "Die Farbe Lila" und das "Aquaman"-Sequel, die beide Ende Dezember anlaufen sollten, ebenfalls nach hinten verlegt.

Bei "Die Farbe Lila" kommt neben dem Wegfall der Werbung seitens der Darsteller ein weiterer Punkt hinzu: Der Film gilt als Kandidat für Filmpreise, deren Verleihungen aktuell aber ebenfalls nicht im gewohnten Rahmen stattfinden können. Auch auf diese Art der Werbung will Warner offenbar nicht verzichten.

Selbst wenn die Streiks heute vorbei wären, würde sich die Welle aufgestauter Produktionen nicht mal eben abbauen. So erklärten mehrere Insider gegenüber c’t, dass sich die Situation Stand heute auch im kommenden Jahr nicht wieder normalisieren wird. Schließlich werden sich alle TV- und Filmproduzenten bei Wiederbeginn ebenso auf Produktionsmittel wie Kameras und Beleuchtung stürzen wie etwa auf Coloristen, Cutter oder Tonmeister – und Material wie Mitarbeiter stehen auch in Hollywood nicht unbegrenzt zur Verfügung. Gleiches gilt für Filmlocations einschließlich internationaler Studios. Es droht eine Knappheit an Personal und Equipment, die zu weiteren Verzögerungen führen könnte.

Das berühmte Studio Babelsberg musste aufgrund der Hollywoodstreiks Kurzarbeit anmelden, wird nach Ende der Konflikte aber wohl für längere Zeit volle Auftragsbücher haben.

(Bild: Studio Babelsberg)

Um Special-Effects-Spezialisten gab es sogar schon vor dem Beginn des Autorenstreiks regelrechte Wettkämpfe, wie die Macher von "The Last Of Us" im offiziellen Podcast zur HBO-Serie seinerzeit berichteten. Das für Zuschauer wenig erfreuliche Ergebnis: Im Zweifel werden Aufträge auch an Firmen vergeben, deren Special Effects sichtbar nicht auf der Höhe der Zeit sind.

Und je länger der Streik andauert, desto mehr Produktionen stauen sich auf, in denen dieselben Schauspieler mitwirken sollten. So spielt etwa Harrison Ford sowohl in der Serie "1923" auf Paramount+ als auch in der Serie "Shrinking" auf Apple TV+ eine Hauptrolle. Andere Schauspieler sind "nebenbei" erfolgreiche Produzenten. So ist etwa Reese Witherspoon in der IMDb allein bei über einem Dutzend bevorstehende Projekte in dieser Funktion gelistet; in fünf davon soll sie zudem auch mitspielen.

Auch wenn die Videostreaming-Dienste aktuell noch einige US-Produktionen in der Pipeline haben, ist eine Ebbe in den kommenden Monaten nicht mehr abwendbar. Der Zustrom an neuen Inhalten aus Hollywood wird in den kommenden Monaten mehr und mehr versiegen. Doch obwohl alle Streamingdienste von der Situation betroffen sind, zeichnet sich ab, dass einige Betreiber mehr zu kämpfen haben werden als andere.

Sollte es Netflix gelingen, seine Nutzer (weiterhin) für internationale Produktionen zu begeistern, brächte dies zumindest eine gewisse Entlastung. Disney+ und Paramount+ dürften wiederum tief in ihren Archiven graben, um beliebte Katalogtitel zu finden, mit denen sich Fans begeistern lassen. Ob das jedoch reicht, um eine Dürrezeit mit wenigen "Star Wars"- und "Marvel"-Serien zu überstehen, ist zweifelhaft.

Noch schwerer dürften es Amazon Prime Video und Apple TV+ haben, denen außer einigen internationalen Produktionen wenig bleibt, worauf die Dienste zurückgreifen können. Allgemein ist davon auszugehen, dass bei allen Diensten neben mehr Dokumentationen vor allem viele Shows sowie Reality-Formate zu sehen sein werden, bis sich die Situation wieder entspannt hat. Diese Formate lassen sich schließlich mit vergleichsweise geringem Aufwand schnell produzieren und kommen auch ohne Hollywood-Stars aus.

Es ist dennoch sehr wahrscheinlich, dass die Streiks der Streaming-Szene so zusetzen wird, dass die Dienste einen massiven Schwund an Kunden hinnehmen müssen – und einige Anbieter endgültig baden gehen könnten.

[Update: Formulierung geändert, die verstanden werden konnte, dass sich der Autor Pleiten von Streaminganbietern wünscht.]] (nij)