Myst wird 30: Das Grafik-Adventure, das ein Genre zerstörte​ ​

Über 6 Millionen verkaufte Exemplare, entwickelt von einem Mini-Team: Vor 30 Jahren erschien das Grafik-Adventure "Myst". Ein schonungsloser Rückblick.

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(Bild: Cyan, Bearbeitung Gerald Himmelein)

Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Gerald Himmelein
Inhaltsverzeichnis

Vor 30 Jahren erschien das Grafik-Adventure "Myst". Es war ein kleines Projekt, ausgeheckt von fünf Entwicklern zu einer Zeit, als optische Laufwerke noch rar waren und "Multimedia"-PCs noch als Verkaufsargument galten. Dennoch wurde "Myst" zum absoluten Verkaufsschlager – mit 6,3 Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Spiel der Welt (bis 2002, entthront von "The Sims").

Dabei hätten sich die beiden Hauptentwickler, die Brüder Rand und Robyn Miller, schon über 100.000 Kunden gefreut. Stattdessen wurde "Myst" für viele zum entscheidenden Argument, ihren Rechnern ein CD-ROM-Laufwerk zu spendieren. Inzwischen hat "Myst" vier Überarbeitungen, ebensoviele Nachfolger sowie ein Spin-Off hinter sich. Nicht schlecht, sollte man meinen. Doch das kommt darauf an, wen man fragt.

Wer PC-Spiele-Veteranen auf "Myst" anspricht, bekommt eine von zwei Reaktionen: leuchtende Augen oder vorwurfsvolle Blicke. "Myst" wird entweder geliebt oder gehasst. Sollte es Leute geben, die zwischen diesen beiden Lagern liegen, habe ich sie noch nicht getroffen.

30 Jahre Myst (15 Bilder)

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(Bild: Cyan)

Wir schreiben das Jahr 1993. Im Dezember wird "Doom" erscheinen und den Spielemarkt komplett umkrempeln. Doch im September ist die Welt noch in Ordnung: Side-Scroller und textlastige Grafik-Adventures dominieren die PC-Spieleszene, fotorealistische Grafik lässt sich allenfalls in Form verpixelter 2D-Sprites ("Mortal Kombat") oder nicht-interaktiver "Cutscene"-Filmchen umsetzen, Soundkarten gehören bei immer mehr PCs zum guten Ton, und Lehrer dürfen noch auf dem Schulhof rauchen.

Sollte natürlich aussehende 3D-Grafik auf dem PC-Bildschirm erscheinen, ging das damals nicht in Echtzeit, alles musste vorberechnet werden. Vorgerenderte Animationen und Bilder benötigten wesentlich mehr Speicherplatz als die Sprite-basierenden Adventures, die damals meist noch auf Disketten daherkamen – wie gut, dass CD-ROM-Laufwerke gerade anfingen, erschwinglich zu werden.

So erschien im Januar 1993 das 3D-Grafik-Adventure "The Journeyman Project", eine ambitionierte Sci-Fi-Geschichte mit etwas hakeliger Inventar-Verwaltung. Im April folgte "The 7th Guest", eine atmosphärische Gruselgeschichte in einem verwunschenen Haus, mit eher enttäuschenden Puzzles. Dann, am 24. September 1993, kam "Myst" auf den Markt.

"Myst" versetzt seine Spieler auf eine einsame Insel, in deren Hafen ein gesunkenes Segelschiff liegt. Wer die Insel erforscht, stößt dabei auf diverse "Myst"eriöse (höhö) Gebäude. Um diese zu erschließen, müssen geschickt in die Umgebung eingebettete Puzzles gelöst werden. Im Unterschied zu herkömmlichen Adventure-Games bietet "Myst" weder ein Inventar, noch Dialoge, noch klar gesetzte Ziele.

Statt eine Figur durch die Gegend zu bugsieren, erforschen Spieler die Insel konsequent aus der Ich-Perspektive. Der Mauszeiger ist ein kleines Händchen, dessen Zeigefinger entweder nach vorn oder zur Seite zeigt. Klicks führen schrittweise über die Insel, drehen Räder, drücken Buttons und schieben Regler. Zur Lösung der meisten Aufgaben müssen Spieler in einer Bibliothek fleißig virtuelle Bücher studieren und alles notieren, was darin relevant erscheint.

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Ach ja, die Bücher. Nach und nach geben die Bauten der "Myst"-Insel eine Reihe von gebundenen Büchern frei. Diese "Linking Books" führen Spieler zu vier "Zeitaltern", in denen unterschiedliche Materialien dominieren (Stein, Holz, Stahl ...). Dort warten weitere Puzzles.

Mit der Zeit fügen Spieler die Story der verlassenen Insel zusammen. In der Bibliothek der Hauptinsel stehen ein blaues und ein rotes Buch parat, in deren Seiten schemenhaft die Gestalten zweier Männer erscheinen. Beide fordern weitere Blätter in der Farbe des jeweiligen Buchumschlags – und gefälligst nur Blätter in der passenden Farbe. Mit jedem angelieferten Blatt werden die Männer in den Büchern deutlicher zu sehen und zu hören, bis ... äh, so viel zur Handlung des Spiels.