Daimlers Kurvenneige-System ausprobiert

Wie eine Harley

Mit dem Automatic Body Control hat Daimler ein System gebaut, das recht viel kann, wie das Update mit "Magic Body Control" gezeigt hat. Jetzt folgt ein weiteres Software-Update, mit dem sich ABC in die Kurve legt

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Mit der Moduswahltaste eingestellt, wird der Curve-Mode sehr prominent im Bildschirm angezeigt. Im AMG heißt er "Dynamic Curve". 10 Bilder
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Von
  • Clemens Gleich
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Florenz, 11. Juli 2014 – Alle Besitzer einer S-Klasse, die ich kenne, fahren erstens selber und zweitens fast immer allein, selten mal zu zweit, alle zehn Jahre benutzt jemand die hinteren Türen. Die Einstufung vom "Chauffeurs-Auto" kenne ich eher von Firmen, die Autos mit Chauffeur als Transportdienstleistung anbieten. Vielleicht ist deshalb das S-Klasse Coupé die bessere S-Klasse für alle, die sich so ein Auto als Belohnung ihres harten Arbeitslebens leisten. Eine Einschätzung des Fahrzeugs können Sie hier lesen. Der Anlass dieses Artikels ist das Kurvenneigesystem, das bei den Modellen mit Hinterradantrieb, Stahlfederfahrwerk und Active Body Control (ABC) angeboten wird.

Das wurde mit "legt sich in die Kurve wie ein Motorrad" beworben, deshalb bewerte ich die Funktion zunächst als Motorradfahrer: Das Auto legt sich natürlich nicht in die Kurve wie ein Motorrad. Es legt sich auch nicht so in die Kurve wie Daimlers Versuchsträger F400 Carving aus 2001, der für die Kurvenfahrt dynamisch den Radsturz änderte (wurde übrigens auch mit Motorradanalogien vorgestellt). Aber mit etwas gutem Willen könnte man ein paar Parallelen zu beliebten Nichtmotorrädern ziehen, zu Harleys, Cruisern generell. Denn was an einer Harley Spaß macht, ist das gediegene, langsame Cruisen. Genauso funktioniert die Funktion "Curve" des Fahrwerks nur dann wirklich gut, wenn der Fahrer seinen Altherrenhut aufsetzt und ganz gelöst flüssig, aber behäbig durch die Kurven rollt, Landschaft angucken. Eigentlich gehört diese Funktion umgehend in einen SL, weil man den dem Himmel öffnen kann.

Zum Schnellfahren passt die Fahrwerksabstimmung unter Curve überhaupt nicht, das Auto schwabbelt viel zu sehr um alle ihm möglichen Achsen. Erst der Modus "Sport" zurrt alles so fest, dass Rasen mit dem Riesenschiff Spaß macht. Es gibt die Funktion jedoch auch in der "schneller"-Variante S 63 AMG, dort mit leicht veränderter Fahrwerksabstimmung unter dem Namen "Dynamic Curve" statt nur "Curve". Das legt sich ohne Geschwabbel schön gedämpft in die Kurve, hebt die Spaß machenden Geschwindigkeiten von Cruising fast schon in die Nähe von "Fahren". AMG verdirbt den Modus "Dynamic Curve" letztendlich damit, dass die Traktionskontrolle hier auf Parameter für Krankentransporte eingestellt ist. Sie schaltet in der Kurve den Motor praktisch aus. Schub gibt es erst wieder, wenn die Lenkung völlig gerade steht. Auch hier gilt: Spaß macht eigentliches Fahren dann, wenn man auf den "Sport"-Knopf drückt. Er schaltet den Motor für Kurvenfahrt frei. Gut.

Active Body Control plus Software

Das System ist technisch weniger komplex als zunächst vermutet, denn es reicht ein zusätzliches Software-Modul zum Active Body Control, das bereits vorhandene mechanische Fähigkeiten dergestalt neu nutzt. Rekapitulation: ABC stellt an jedem Rad einzeln die Federbasis hydraulisch ein, um das Fahrzeugniveau möglichst gleichmäßig horizontal zu halten. Es ersetzt damit Querstabilisatoren, stützt sich gegen die dynamische Radlastverlagerung beim Beschleunigen, Bremsen oder bei Beladung.