Elterngeld, Gesundheit und Pflege: Wo gestrichen wird und wo nicht

Eine Gerechtigkeitsdebatte nur mit Fokus auf Teile Mittelschicht greift zu kurz. Symbolbild: neildodhia / Pixabay Licence

Die geplante Elterngeld-Streichung für Besserverdienende erhitzt die Gemüter. Über andere Haushaltsposten wird weniger gesprochen.

Die Debatte um geplante Einschnitte beim Elterngeld ist gewöhnungsbedürftig: Die Unionsparteien auf der Oppositionsbank treten als Anwälte der sozialen Gerechtigkeit und der Frauen auf, während sich die Grünen in Regierungsverantwortung darauf berufen, dass der kleinste Koalitionspartner FDP diesen Sparkurs nun mal gewollt habe und sie selbst ihn nur sozialverträglich umsetzen würden.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) verteidigte unterdessen den Vorschlag aus dem Ressort der grünen Familienministerin Lisa Paus, die Einkommensobergrenze für für Paare beim Bezug des Elterngeldes von 300.000 Euro auf 150.000 Euro zu senken. Gemeint ist damit nur das zu versteuernde Einkommen nach Abzug der Vorsorgeaufwendungen.

Über die bisherige Obergrenze von 300.000 Euro Jahreseinkommen sagte Scholz am Mittwoch bei der Regierungsbefragung im Bundestag: "Das ist sehr, sehr viel." Im Kern sollten Paare aber weiterhin ermutigt werden, Kinder zu bekommen. Die CSU-Abgeordnete Dorothee Bär hatte Scholz gegenüber bemängelt, dass die geplanten Neuerungen Frauen in eine stärkere Abhängigkeit von ihren Männern brächten.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja hatte am Dienstag sogar klassenkämpferische Töne angeschlagen: "De facto sorgt diese Bundesregierung für eine Zwei-Klassen-Gesellschaft unter jeweils hart arbeitenden Familien", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zudem sprach Czaja von einem "Schlag ins Gesicht erwerbstätiger Eltern". FDP-Fraktionschef Christian Dürr klinkte sich ebenfalls in die Debatte ein: "Ich halte es für falsch, dass wir an dieser Stelle genau diese Mittel jetzt kürzen", warnte er mit Blick auf die traditionell besserverdienende Klientel seiner Partei.

Der Grünen-Politiker Andreas Audretsch sieht die Streichung als Resultat einer anstehenden "Zeit von großen Einsparungen". Der Vorschlag des Familienministeriums, beim Elterngeld zu sparen, sei das Ergebnis der von Finanzminister Christian Lindner (FDP) gewünschten Haushaltspolitik, so Audretsch, der dem Haushaltsausschuss angehört.

Seine Parteifreundin Paus habe im Familienministerium die Kürzungen am sozialverträglichsten umgesetzt. Das sei nichts, was man gewollt habe, damit müsse nun aber umgegangen werden, sagte Audretsch dem Sender Phoenix.

IW schätzt Zahl der Betroffenen deutlich höher als Paus

Das Elterngeld gleicht fehlendes Einkommen aus, wenn Eltern ihr Kind nach der Geburt betreuen. Eltern mit höheren Einkommen erhalten bisher 65 Prozent, Eltern mit niedrigeren Einkommen bis zu 100 Prozent des Voreinkommens. Paaren stehen gemeinsam insgesamt 14 Monate Basiselterngeld zu, wenn sich beide an der Betreuung beteiligen und dadurch Einkommen wegfällt.

Wie viele Paare mit vergleichsweise hohem Einkommen von der neuen Obergrenze betroffen sein könnten, dazu hat das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) andere Berechnungen angestellt als das Familienministerium: Laut IW lebten 2020 in Deutschland 435.000 Paare, die potenziell Kinder bekommen könnten und gemeinsam ein zu versteuerndes Jahreseinkommen von mehr als 150.000 Euro hatten. Nach Angaben von Paus beträfe die geplante Einstellung der Zahlung von Elterngeld oberhalb dieser Einkommensgrenze vermutlich rund 60.000 Familien.

"Einerseits ist es richtig, dass der Staat einsparen muss. Andererseits träfe die geplante Einschränkung in der Regel typische Akademiker-Ehepaare, die gemeinsam schnell über diese Grenze kommen werden", gibt Wido Geis-Thöne vom IW zu bedenken. "Ein Einkommen von rund 75.000 Euro im Jahr für jeden einzelnen Partner ist bei einer Vollzeitbeschäftigung nicht selten und auch nicht wirklich hoch. Die Einschränkung trifft also nicht nur Großverdiener, auch Teile der Mittelschicht, die man eigentlich nicht schlechter stellen will."

Abstiegsängste werden in der Meinungsforschung auch immer wieder im Zusammenhang mit Wahlerfolgen und Umfrage-Hochs rechter Parteien genannt.

Schuldenbremse, aber nicht auf Kosten der Bundeswehr

Der am Mittwoch im Kabinett beschlossene Bundeshaushalt für 2024 umfasst insgesamt 445,7 Milliarden Euro. Lindner will somit Schuldenbremse einhalten, die allerdings von Sozialverbänden und Gewerkschaften als "Zukunftsbremse" kritisiert wird.

Während in anderen Ressorts zum Teil erheblich gekürzt wird – beispielsweise im Gesundheitsbereich von 24,4 Milliarden Euro auf 16,2 Milliarden – fällt die Kürzung im Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend vergleichsweise moderat aus: Die Ausgaben sollen hier von gut 13,5 auf 13,3 Milliarden sinken. Etwas mehr als 200 Millionen soll Paus also einsparen.

Hervor sticht im Haushaltsplan dagegen der Wehretat, der nicht sinken, sondern von rund 50,1 Milliarden auf 51,8 Milliarden Euro steigen soll. Dieser Betrag deckt allerdings für sich genommen kaum mehr als die ansteheden Tarifsteigerungen ab – Aufrüstungsvorhaben wie der Tarnkappenjet F-35 und moderne Schützenpanzer für die Bundeswehr dürften zu wesentlichen Teilen aus dem Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro finanziert werden, das Scholz Ende Februar 2022 in seiner Regierungserklärung zur "Zeitwende" angekündigt hatte.

Mit Blick auf den Gesundheitsbereich sagte Linder laut einem Bericht des Ärzteblatts am Nachmittag vor Journalisten, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) "nicht angezeigt" habe, mit der Kürzung seines Etats um ein sattes Drittel ein Problem zu haben. Ein Teil der Ausgaben im vergangenen Jahr seien auf die Corona-Pandemie zurückzuführen, heißt es in dem Bericht. Diese Ausgaben würden nun "weitgehend" entfallen.

Darüber hinaus sei aber der Rotstift beim Gesundheitsfonds und der Pflegeversicherung angesetzt worden: Für 2024 sind der ergänzende Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds (2,0 Milliarden Euro), das überjährige Darlehen an den Gesundheitsfonds (1,0 Milliarden Euro) und der pauschale Bundeszuschuss zur Pflegeversicherung (1,0 Milliarden Euro) nicht mehr in der Haushaltsplanung enthalten.