Test Elektroauto BMW iX xDrive50: Für Schwelger, nicht für Sparer
BMW iX tritt mit dem erwartbaren, satten SUV-Luxus an. Der Verbrauch liegt entsprechend hoch, der Komfort jedoch auch. Das E-SUV im Test.
Alte Fahrzeuge fahren erdet den Fahrzeugtester, weil es versprochene Fortschritte in Relation setzt. Jedes Mal, wenn ich meine alte Aprilia RSV Mille von 1998 im Vergleich zum Neuesten und Besten fuhr, war ich erfreut-verblüfft: Das ist alles in allem immer noch ein richtig gutes Motorrad. Sie ahnen gruselnd bereits, was jetzt wieder kommt: der alte Mercedes. Ja. Jedes Mal, wenn ich im Winter meine alte (aber immerhin zwei Jahre jüngere als die Mille) C-Klasse fahre, bin ich erfreut-verblüfft, wie schnell die Kabine warm wird im Vergleich zum Neuesten und Besten, das mir die Hersteller zum Testen leihen.
Effizienz vs. Komfort
Beim Verbrennungsmotor liegt ein Teil des Unterschieds in der gestiegenen Effizienz des Antriebs, ein anderer im Wärmebedarf der Abgasnachbehandlung kurz nach dem Start. Deshalb heizen viele Verbrenner elektrisch zu, Elektroautos tun das rein elektrisch. Das macht es dann umso interessanter, dass selbst gut gedämmte Luxus-Elektroautos oft deutlich länger zum Warmwerden brauchen als der alte Benz. Sie sparen sich schlicht den Strom, denn vielleicht steigt der Fahrer ja eh gleich nochmal aus.
Dieses Verhalten passt gut zu kleineren bis mittleren Autos, je nach Batteriegröße. Doch wenn wir in den Bereich sechsstellig kostender Luxusklumpen kommen, dann ganz ehrlich: Was soll das? Dasselbe dachte sich wohl auch BMW, denn der iX begrüßt den Wintergast damit, dass er schon mit Heizen anfängt, wenn die Tür zum Einsteigen aufgeht. Damit ist klar, worum es geht: Komfort first. Verbrauch last.
BMW iX xDrive50 außen (0 Bilder) [1]
[2]Vor mir die Sintflut
In einem sehr ähnlichen Fahrprofil, bei sehr ähnlichem Wetter wie zum Mercedes-EQS-Test [3] verbrauchte der iX 37,2 kWh/100 km brutto inklusive Ladeverluste gemessen. Es war nasser als zum Test des Mercedes (Wasser auf der Straße erhöht den Fahrwiderstand), der Rest des Mehrverbrauchs geht auf das Konto des Offensichtlichen: Der iX ist ein riesiges, schweres, hohes und strömungsungünstig geformtes Fahrzeug.
Es muss einen Haufen Hirnschmalz gekostet haben, dieses Auto auf den gemessenen Verbrauch zu trimmen, denn der ist angesichts der Begleitumstände gar nicht übel. Was soll der BMW-X5-Fahrer hier vermissen? Zwei Stunden lang die A71 runter, dauerhaft mit Bleifuß auf dem Gaspedal stehen, zwischen Tankstopps vielleicht. Sonst ist alles da, im Überfluss. Selbst die bei E-Autos gern sträflich vernachlässigte Anhängelast beherzigte München und lässt den iX 2,5 Tonnen ziehen.
Auch die BMW-Tugend Fahrspaß blieb im Paket enthalten. Mit fetter Boost-Leistung, Hinterachslenkung, gekonnter Fahrwerksabstimmung und gutem Feedback macht der iX trotz Tonnage und hohen Hacken richtig Laune beim Fahren. Damit das Auto dabei nicht nervt, lässt BMW fast alle Fahrhilfen in weiten Bereichen einstellen, mit dem Resultat, dass das Auto nach kurzer Einpassungszeit praktisch nicht mehr nervt. Sehr löblich, ja: nachahmenswert.
Fahrhilfen und Wetter
Am anderen Ende des Spektrums steht BMWs "Assisted Driving", also Spurhaltung plus Schilder lesender Abstandstempomat. Das System funktioniert so gut, dass ich es nach kurzer Eingewöhnung ständig nutzte. Es fährt StVO-konform, macht wenige Fehler und übernimmt einen signifikanten Teil der Fahraufgabe, sodass man entspannter ankommt. Manko: Wetterempfindlichkeit. Schon bei Winterregen ohne Schnee verabschiedete sich das System auf der A81 laut Bildschirmanzeige "vorübergehend". Das bedeutet in der Praxis: Die Abschaltung geht dann vorüber, wenn der auslösende gischtige Regen vorübergegangen ist.
Clear & Bold
Auch beim Rangieren zeigt sich der iX gelegentlich wettereingeschränkt. Die 360°-Kamera etwa zeigt nachts im Wintersiff oft kaum noch entzifferbare Feeds (siehe Bilder). Vor allem die hintere Kamera verschmutzt bei Nässe sofort. Statt Kamera-Klappsystem setzt BMW auf eine automatische Waschdüse, die hinter dem Weißblauteil des Firmenlogos ausfährt. Die Systemkomplexität scheint mir nicht geringer als bei versenkter Kamera, die Wirkung dagegen deutlich schlechter. Oft ist die Kamera wie ein Haushund im Winter: zu verdreckt, wäscht sich nicht selbst, und bis du durch Befehlen für Gehorsam gesorgt hast, bist du längst ausgestiegen und hast selbst sauber gemacht. Ich versteige mich zur These: Die versenkbare Kamera mit Wischlippen ist das überlegene System für hinten, fertig. Selbst in der Kostenstruktur eines VW Golf ist sie offensichtlich möglich.
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Ludwig der Vierzehnte fährt vor
Was BMW richtig gut gelang: die Kabine. Mit den Alcantara-Bezügen (500 Euro Aufpreis) sitzt es sich rutscharm, warm, superbequem und der Raum wirkt loungig-modern. Die Erwartungen an Kabinen hat BMW selber mit dem innen immer noch modern aussehenden i3 [4] hoch geschürt. Der iX erfüllt sie. An einigen Optionen übererfüllt er gar. Es gibt zum Beispiel für über 1000 Euro die Option auf Bedienelemente aus geschliffenem Kristallglas. Fettes Like von Harald Glöckler. Konservativere BMW-Kunden schauen sich das jedoch lieber vor dem Kauf live beim Händler an, denn es gehört zu den Dingen, die man nur lieben oder hassen kann. Zu den Details der rundum gelungenen Kabine darf ich Sie wie immer auf die Fotostrecke verweisen, die weitere Informationen enthält.
BMW iX xDrive50 innen (23 Bilder) [5]
[6](Bild: Clemens Gleich)
BMW setzt einen Tacho-Bildschirm und einen Mittelkonsolen-Touchscreen hinter eine geschwungene Glasscheibe, die hinter dem Lenkrad hervorragt. Obwohl andere Hersteller größere Bildschirme anbieten, sieht dieses Arrangement schick aus und funktioniert dank schlauer Nutzerführung gut. Ehrlicherweise gefällt mir der kleinere Bildschirm mit durchdachterer Benutzerführung besser als viele Systeme mit großer Fläche, aber kleinerem UX-Budget, weil BMW sich viel Mühe gab, den jeweils aktuellen Kontext zu berücksichtigen, um die wahrscheinlich wichtigen Bedienelemente nach vorne zu holen. Eine ausführliche Diskussion des neuen BMW OS8 im iX finden Sie in einem separaten Artikel.
Laden, laden
Der iX soll mit bis zu 195 kW laden. Diesen Wert erreichte ich bei Temperaturen im einstelligen Plus-Bereich nie, und wer ihn im Winter erreichen will, muss wie bei vergleichbaren Autos den Ladeplaner im Navi verwenden. Der temperiert die Batterie vor, um die Wartezeit zu verkürzen (ja, das kostet Strom/Geld) und weiß um den optimalen Ladepunkt nach SoC und Routenbedingungen. Einfach so herausfahren an die DC-Schnellladesäule wie zum Tanken funktioniert im Winter schlecht, heißt: mit eher enttäuschender Ladeleistung. Für die Langstrecke sollte daher immer eine Zielführung aktiv sein.
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Gute Erfahrungen machte ich mit der adaptiven Rekuperation, die abhängig von Fahrzeug- und Routenparametern eine stets optimale elektrische Bremsleistung zu errechnen versucht. Das passt meist ganz gut, und wenn es nicht passt, reicht ein Gaspedal-Stupser, um die Bremsung bis zur nächsten Zustandsänderung aufzuheben. Das Auto segelt das Zwischenstück dann.
Für den Alltag, die Pendelstrecke brauchen Garagenlader bei 105 kWh netto Energiegehalt keine öffentliche Lade-Infrastruktur. Zu Hause anstecken, gut ist. Der iX lädt AC serienmäßig mit 11 kW. Die Option auf 22 kW ist leider noch nicht fertig. Sie wäre dann sehr interessant, wenn es auf dem städtischen Tiefgaragen-Stellplatz schlicht keinen Strom gibt (ein häufiges Problem). Mit 22 kW AC-Ladeleistung könnte der iX jedoch beim Einkaufen oder sonstigen Erledigungen in der Stadt genug Energie nachladen, dass es ohne Strom am Stellplatz ginge. Geduld, gerade dauert alles länger von Chips bis Holz.
Wunschliste
Was hat mir in BMWs E-SUV gefehlt, wenn ich mich in die Wünsche des SUV-Kunden hineinversetze? Ein besseres Kamerasystem, am besten mit Infrarotlampen, unbedingt mit sauber gehaltenen Linsen. Ein Luftfilter wie im EQS (oder auch hier: im VW Golf), der mir den winterlichen Geruch kalten Dieselabgases von der Nase hält. Etwas mehr Hardware-Leistung der Onboard-Rechner. Der Rest entspricht dem Wunschprofil, indem er dessen Erwartungen (oft erfreulich-überraschend) übertrifft. Ich hätte angesichts des Ergebnisses wirklich gern gesehen, was BMW in diesem Segment auf der LiveDrive-Plattform (i3) alles hätte anstellen können. Tja, hätte, hätte, Fahrradkette ...
BMW hat die Kosten für die Überführung übernommen, der Autor jene für den Fahrstrom.
Technische Daten
Hersteller | BMW |
Modell | iX xDrive50 |
Motor und Antrieb | |
Motorart | Permanenterregte Synchronmotoren |
Boost-Leistung in kW | 385 |
Max. Drehmoment in Nm | 765 |
Antrieb | Allradantrieb |
Fahrwerk | |
Spurweite vorn in mm | 1677 |
Spurweite hinten in mm | 1706 |
Radaufhängung vorn | MacPherson |
Radaufhängung hinten | Mehrlenkerachse |
Lenkung | elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung |
Wendekreis in m | 12,8 |
Reifengröße vorn | 235/60 R20 |
Reifengröße hinten | 235/60 R20 |
Maße und Gewichte | |
Länge in mm | 4953 |
Breite in mm | 2230 inkl. Spiegel |
Höhe in mm | 1696 |
Radstand in mm | 3000 |
Kofferraumvolumen in Litern | 500 bis 1750 |
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck | 2585 |
Zuladung in kg | 635 |
Dachlast in kg | 75 |
Anhängelast in kg | 2500 |
Batteriekapazität netto in kWh | 105,2 |
Batteriekapazität brutto in kWh | 111,5 |
Fahrleistungen | |
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden | 4,6 |
Höchstgeschwindigkeit in km/h | 200 |
Laden | |
Max. Ladeleistung AC in kW | 11 |
Max. Ladeleistung DC in kW | 195 |
Ladezeit 10 bis 80% SoC, Idealbedingungen, in min | 31,0 |
Verbrauch | |
Verbrauch kWh/100 km nach WLTP | 23,0 |
Testverbrauch kombiniert Winter in kWh/100 km brutto | 37,2 |
Daten Stand | Dezember 2021 |
Preisliste
Modell | BMW iX xDrive50 |
Grundpreis | 100.000,00 € |
Interessante Extras | |
Stoffbezüge Alcantara/Wollstoff | 500,00 € |
Lederbezüge | 3.500,00 € |
Kristallelemente "Clear & Bold" | 1.150,00 € |
Innenraum-Selfiekamera | 120,00 € |
Preisliste Stand | Dezember 2021 |
(cgl [7])
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