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Test Elektroauto BMW iX xDrive50: Für Schwelger, nicht für Sparer

Clemens Gleich
BMW iX

Der BMW iX wird die Erwartungen der Zielgruppe erfüllen. Ein besonders geringer Energieverbrauch gehört nicht dazu.

(Bild: Clemens Gleich)

BMW iX tritt mit dem erwartbaren, satten SUV-Luxus an. Der Verbrauch liegt entsprechend hoch, der Komfort jedoch auch. Das E-SUV im Test.

Alte Fahrzeuge fahren erdet den Fahrzeugtester, weil es versprochene Fortschritte in Relation setzt. Jedes Mal, wenn ich meine alte Aprilia RSV Mille von 1998 im Vergleich zum Neuesten und Besten fuhr, war ich erfreut-verblüfft: Das ist alles in allem immer noch ein richtig gutes Motorrad. Sie ahnen gruselnd bereits, was jetzt wieder kommt: der alte Mercedes. Ja. Jedes Mal, wenn ich im Winter meine alte (aber immerhin zwei Jahre jüngere als die Mille) C-Klasse fahre, bin ich erfreut-verblüfft, wie schnell die Kabine warm wird im Vergleich zum Neuesten und Besten, das mir die Hersteller zum Testen leihen.

Beim Verbrennungsmotor liegt ein Teil des Unterschieds in der gestiegenen Effizienz des Antriebs, ein anderer im Wärmebedarf der Abgasnachbehandlung kurz nach dem Start. Deshalb heizen viele Verbrenner elektrisch zu, Elektroautos tun das rein elektrisch. Das macht es dann umso interessanter, dass selbst gut gedämmte Luxus-Elektroautos oft deutlich länger zum Warmwerden brauchen als der alte Benz. Sie sparen sich schlicht den Strom, denn vielleicht steigt der Fahrer ja eh gleich nochmal aus.

Dieses Verhalten passt gut zu kleineren bis mittleren Autos, je nach Batteriegröße. Doch wenn wir in den Bereich sechsstellig kostender Luxusklumpen kommen, dann ganz ehrlich: Was soll das? Dasselbe dachte sich wohl auch BMW, denn der iX begrüßt den Wintergast damit, dass er schon mit Heizen anfängt, wenn die Tür zum Einsteigen aufgeht. Damit ist klar, worum es geht: Komfort first. Verbrauch last.

BMW iX xDrive50 außen (0 Bilder) [1]

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In einem sehr ähnlichen Fahrprofil, bei sehr ähnlichem Wetter wie zum Mercedes-EQS-Test [3] verbrauchte der iX 37,2 kWh/100 km brutto inklusive Ladeverluste gemessen. Es war nasser als zum Test des Mercedes (Wasser auf der Straße erhöht den Fahrwiderstand), der Rest des Mehrverbrauchs geht auf das Konto des Offensichtlichen: Der iX ist ein riesiges, schweres, hohes und strömungsungünstig geformtes Fahrzeug.

Es muss einen Haufen Hirnschmalz gekostet haben, dieses Auto auf den gemessenen Verbrauch zu trimmen, denn der ist angesichts der Begleitumstände gar nicht übel. Was soll der BMW-X5-Fahrer hier vermissen? Zwei Stunden lang die A71 runter, dauerhaft mit Bleifuß auf dem Gaspedal stehen, zwischen Tankstopps vielleicht. Sonst ist alles da, im Überfluss. Selbst die bei E-Autos gern sträflich vernachlässigte Anhängelast beherzigte München und lässt den iX 2,5 Tonnen ziehen.

Auch die BMW-Tugend Fahrspaß blieb im Paket enthalten. Mit fetter Boost-Leistung, Hinterachslenkung, gekonnter Fahrwerksabstimmung und gutem Feedback macht der iX trotz Tonnage und hohen Hacken richtig Laune beim Fahren. Damit das Auto dabei nicht nervt, lässt BMW fast alle Fahrhilfen in weiten Bereichen einstellen, mit dem Resultat, dass das Auto nach kurzer Einpassungszeit praktisch nicht mehr nervt. Sehr löblich, ja: nachahmenswert.

Am anderen Ende des Spektrums steht BMWs "Assisted Driving", also Spurhaltung plus Schilder lesender Abstandstempomat. Das System funktioniert so gut, dass ich es nach kurzer Eingewöhnung ständig nutzte. Es fährt StVO-konform, macht wenige Fehler und übernimmt einen signifikanten Teil der Fahraufgabe, sodass man entspannter ankommt. Manko: Wetterempfindlichkeit. Schon bei Winterregen ohne Schnee verabschiedete sich das System auf der A81 laut Bildschirmanzeige "vorübergehend". Das bedeutet in der Praxis: Die Abschaltung geht dann vorüber, wenn der auslösende gischtige Regen vorübergegangen ist.

Auch beim Rangieren zeigt sich der iX gelegentlich wettereingeschränkt. Die 360°-Kamera etwa zeigt nachts im Wintersiff oft kaum noch entzifferbare Feeds (siehe Bilder). Vor allem die hintere Kamera verschmutzt bei Nässe sofort. Statt Kamera-Klappsystem setzt BMW auf eine automatische Waschdüse, die hinter dem Weißblauteil des Firmenlogos ausfährt. Die Systemkomplexität scheint mir nicht geringer als bei versenkter Kamera, die Wirkung dagegen deutlich schlechter. Oft ist die Kamera wie ein Haushund im Winter: zu verdreckt, wäscht sich nicht selbst, und bis du durch Befehlen für Gehorsam gesorgt hast, bist du längst ausgestiegen und hast selbst sauber gemacht. Ich versteige mich zur These: Die versenkbare Kamera mit Wischlippen ist das überlegene System für hinten, fertig. Selbst in der Kostenstruktur eines VW Golf ist sie offensichtlich möglich.

Was BMW richtig gut gelang: die Kabine. Mit den Alcantara-Bezügen (500 Euro Aufpreis) sitzt es sich rutscharm, warm, superbequem und der Raum wirkt loungig-modern. Die Erwartungen an Kabinen hat BMW selber mit dem innen immer noch modern aussehenden i3 [4] hoch geschürt. Der iX erfüllt sie. An einigen Optionen übererfüllt er gar. Es gibt zum Beispiel für über 1000 Euro die Option auf Bedienelemente aus geschliffenem Kristallglas. Fettes Like von Harald Glöckler. Konservativere BMW-Kunden schauen sich das jedoch lieber vor dem Kauf live beim Händler an, denn es gehört zu den Dingen, die man nur lieben oder hassen kann. Zu den Details der rundum gelungenen Kabine darf ich Sie wie immer auf die Fotostrecke verweisen, die weitere Informationen enthält.

BMW iX xDrive50 innen (23 Bilder) [5]

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Die Kunststoff-Alcantara-Bezüge der Sitze fühlen sich wärmer an als Leder und rutschen weniger.
(Bild: Clemens Gleich)

BMW setzt einen Tacho-Bildschirm und einen Mittelkonsolen-Touchscreen hinter eine geschwungene Glasscheibe, die hinter dem Lenkrad hervorragt. Obwohl andere Hersteller größere Bildschirme anbieten, sieht dieses Arrangement schick aus und funktioniert dank schlauer Nutzerführung gut. Ehrlicherweise gefällt mir der kleinere Bildschirm mit durchdachterer Benutzerführung besser als viele Systeme mit großer Fläche, aber kleinerem UX-Budget, weil BMW sich viel Mühe gab, den jeweils aktuellen Kontext zu berücksichtigen, um die wahrscheinlich wichtigen Bedienelemente nach vorne zu holen. Eine ausführliche Diskussion des neuen BMW OS8 im iX finden Sie in einem separaten Artikel.

Der iX soll mit bis zu 195 kW laden. Diesen Wert erreichte ich bei Temperaturen im einstelligen Plus-Bereich nie, und wer ihn im Winter erreichen will, muss wie bei vergleichbaren Autos den Ladeplaner im Navi verwenden. Der temperiert die Batterie vor, um die Wartezeit zu verkürzen (ja, das kostet Strom/Geld) und weiß um den optimalen Ladepunkt nach SoC und Routenbedingungen. Einfach so herausfahren an die DC-Schnellladesäule wie zum Tanken funktioniert im Winter schlecht, heißt: mit eher enttäuschender Ladeleistung. Für die Langstrecke sollte daher immer eine Zielführung aktiv sein.

Gute Erfahrungen machte ich mit der adaptiven Rekuperation, die abhängig von Fahrzeug- und Routenparametern eine stets optimale elektrische Bremsleistung zu errechnen versucht. Das passt meist ganz gut, und wenn es nicht passt, reicht ein Gaspedal-Stupser, um die Bremsung bis zur nächsten Zustandsänderung aufzuheben. Das Auto segelt das Zwischenstück dann.

Für den Alltag, die Pendelstrecke brauchen Garagenlader bei 105 kWh netto Energiegehalt keine öffentliche Lade-Infrastruktur. Zu Hause anstecken, gut ist. Der iX lädt AC serienmäßig mit 11 kW. Die Option auf 22 kW ist leider noch nicht fertig. Sie wäre dann sehr interessant, wenn es auf dem städtischen Tiefgaragen-Stellplatz schlicht keinen Strom gibt (ein häufiges Problem). Mit 22 kW AC-Ladeleistung könnte der iX jedoch beim Einkaufen oder sonstigen Erledigungen in der Stadt genug Energie nachladen, dass es ohne Strom am Stellplatz ginge. Geduld, gerade dauert alles länger von Chips bis Holz.

Was hat mir in BMWs E-SUV gefehlt, wenn ich mich in die Wünsche des SUV-Kunden hineinversetze? Ein besseres Kamerasystem, am besten mit Infrarotlampen, unbedingt mit sauber gehaltenen Linsen. Ein Luftfilter wie im EQS (oder auch hier: im VW Golf), der mir den winterlichen Geruch kalten Dieselabgases von der Nase hält. Etwas mehr Hardware-Leistung der Onboard-Rechner. Der Rest entspricht dem Wunschprofil, indem er dessen Erwartungen (oft erfreulich-überraschend) übertrifft. Ich hätte angesichts des Ergebnisses wirklich gern gesehen, was BMW in diesem Segment auf der LiveDrive-Plattform (i3) alles hätte anstellen können. Tja, hätte, hätte, Fahrradkette ...

BMW hat die Kosten für die Überführung übernommen, der Autor jene für den Fahrstrom.

Hersteller BMW
Modell iX xDrive50
Motor und Antrieb
Motorart Permanenterregte Synchronmotoren
Boost-Leistung in kW 385
Max. Drehmoment in Nm 765
Antrieb Allradantrieb
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1677
Spurweite hinten in mm 1706
Radaufhängung vorn MacPherson
Radaufhängung hinten Mehrlenkerachse
Lenkung elektrisch unterstützte Zahnstangenlenkung
Wendekreis in m 12,8
Reifengröße vorn 235/60 R20
Reifengröße hinten 235/60 R20
Maße und Gewichte
Länge in mm 4953
Breite in mm 2230 inkl. Spiegel
Höhe in mm 1696
Radstand in mm 3000
Kofferraumvolumen in Litern 500 bis 1750
Leergewicht in kg nach EU inklusive 68 kg Fahrer und 7 kg Gepäck 2585
Zuladung in kg 635
Dachlast in kg 75
Anhängelast in kg 2500
Batteriekapazität netto in kWh 105,2
Batteriekapazität brutto in kWh 111,5
Fahrleistungen
Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in Sekunden 4,6
Höchstgeschwindigkeit in km/h 200
Laden
Max. Ladeleistung AC in kW 11
Max. Ladeleistung DC in kW 195
Ladezeit 10 bis 80% SoC, Idealbedingungen, in min 31,0
Verbrauch
Verbrauch kWh/100 km nach WLTP 23,0
Testverbrauch kombiniert Winter in kWh/100 km brutto 37,2
Daten Stand Dezember 2021
Modell BMW iX xDrive50
Grundpreis 100.000,00 €
Interessante Extras
Stoffbezüge Alcantara/Wollstoff 500,00 €
Lederbezüge 3.500,00 €
Kristallelemente "Clear & Bold" 1.150,00 €
Innenraum-Selfiekamera 120,00 €
Preisliste Stand Dezember 2021

(cgl [7])


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