MIT Technology Review 4/2018
S. 96
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»Irgendwas Wasserskiartiges mit Segel«

Der US-Ingenieur Jim Drake war an der Entwicklung tödlicher Waffen wie der Cruise Missile und dem Experimentalflugzeug X-15 beteiligt. Gleichzeitig ist er der geistige Vater des Windsurfens. Seine Idee ließ er vor 50 Jahren patentieren.

Die ersten Surfversuche von Jim Drake sind auf Super 8 dokumentiert und auf YouTube abrufbar. Der Erfinder des Surfsports stellt sich dabei an wie jeder Anfänger: ziemlich hampelig. Fotos: American Windsurfer

Die Idee, die den Wassersport verändern sollte, kam Jim Drake und Fred Payne 1962 beim Cognac: „Wir redeten, bis die Sonne aufging, es gab reichlich Rémy Martin“, sagte mir der 2012 verstorbene Drake vier Jahre vor seinem Tod. Dabei malten sich die beiden Freunde „irgendwas Wasserskiartiges mit Segel“ aus, um über die Flüsse zu kreuzen.

Mitte der Sechziger gab es auf dem Markt zwar bereits einige „Sailboards“, doch die waren schwer, nur im Sitzen zu segeln und hatten eine schlechte Aerodynamik, so Drake. Er und Payne dachten zunächst an einen großen Drachen, verwarfen diesen Plan aber bald wieder. Bewegung kam erst wieder in die Sache, als Drake 1966 seinem Freund Hoyle Schweitzer von seiner Idee erzählte. Hoyle war begeistert und ein Board schnell gebaut. Doch wie lässt sich ein Segel daran befestigen und kontrollieren? Drakes Geistesblitz war es, das Board nicht wie ein Segelboot über eine Ruderanlage zu steuern, sondern über den Druckpunkt des Segels. Damit sich der Druckpunkt in alle Richtungen verlagern lässt, verband Drake den Mast über eine Art Kardangelenk mit dem Board: „Das ist das Teil, das einen Windsurfer bis heute von allen anderen Segelfahrzeugen unterscheidet.“

Jetzt gab es nur noch eine Schwierigkeit: Wie kontrolliert man ein schlabberiges Segel, das sich in alle Richtungen dreht? Drake ließ sich von traditionellen Segelbooten inspirieren und ergänzte einen horizontalen Gabelbaum, der das Segel gespannt hielt.

Im Mai 1967 testet Drake sein Gefährt in Marina del Rey bei Los Angeles. Doch schnell zeigte sich, dass sich das Segel nicht aus dem Wasser heben ließ. Auf der Heimfahrt kam Drake die Erleuchtung: „An einer Schnur ziehen!“ Zwei Wochen später ging es damit wieder ans Meer. „Ich kletterte aufs Brett, zog das Segel hoch und brachte mir selbst Surfen bei.“ Wer sonst hätte es auch tun sollen?

Im Anschluss organisierte Hoyle eine Party, um die Geburt des „Skate“, wie sie das Gerät damals nannten, zu feiern. Da der Name bereits vergeben war, tauften sie das Gefährt „Baja Board“. Doch auch dieser Name sollte nicht lange bleiben, erinnerte sich Drake. Ein Passant sah das Set am Strand liegen und taufte es „Windsurfer“.

Jim Drake wurde durch das Surfen zwar nicht reich, mit einiger Verspätung aber doch noch berühmt. Foto: LA Times

Nach zahlreichen weiteren Versuchen und Verbesserungen ließen Drake und Schweizer die Erfindung am 27. März 1968 beim Patentamt eintragen. Doch kurz darauf drängte Hoyle Schweitzer Drake dazu, das Patent an ihn zu verkaufen – für 36000 Dollar. Im Alleingang vermarktete er es mit seiner Firma Windsurfing International Inc. auf der ganzen Welt. „Hoyle verdiente Millionen“, sagte Drake etwas zerknirscht. Die Freundschaft zerbrach, was Drake zeitlebens bedauerte.

Er selbst arbeitete weiter als Luftfahrtingenieur – unter anderem bei Rockwell, der Rand Corporation, North American Aviation und beim Pentagon. Dabei war er an Rüstungsprojekten wie der Tomahawk Cruise Missile, dem Experimentalflugzeug X-15 und dem B-70-Überschallbomber beteiligt.

Entsprechend oft ist er umgezogen. Das erklärt auch, warum er sich wenig um das Geschäft mit dem Windsurfen kümmern konnte. Zu Ehren kam er erst als Rentner. Der Hersteller Starboard holte ihn ins Team und entwickelte gemeinsam mit ihm diverse Boards, die seinen Namen trugen. DANIEL HAUTMANN