re:publica 15: Das Unbehagen an der Pornographie

Online-Pornographie kritisch hinterfragt: In einem re:publica-Vortrag über "Fair Porn" wurde an die kaum erforschten Produktionsbedingungen erinnert und mit Vorurteilen aufgeräumt.

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re:publica 2015: Das Unbehagen an der Pornographie

Andere Narrationen in der Pornographie: Jenny-Louise Becker und Djure Meinen beim Re:publica-Vortrag zu Fair Porn

(Bild: heise online / Stefan Mey)

Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Stefan Mey
Inhaltsverzeichnis

Pornos sind das vielleicht am meisten verbreitete Videogenre im Netz. Was in den kurzen oder längeren Clips passiert, ist hingegen kaum erforscht. Über das Thema zu reden sei sehr schwierig, meinen die Rereferentin und der Referent der Veranstaltung "Fair Porn: Von Lust und Gewissen" auf der re:publica 15. Jenny-Louise Becker und Djure Meinen bekannten sich am Vortragsbeginn zu ihrem Porno-Konsum. Sie fragten: "Was können wir tun, damit wir lustvoll Pornos schauen können?"

Das Hadern mit der Pornographie ist alt. Der Vatikan lehnt sie aus religiösen Gründen ab. An die Wand projizierte Bilder des aktuellen Papstes und seiner zwei Vorgänger sorgten für Heiterkeit im Publikum. Auf der anderen Seite steht die ablehnende Haltung feministischer Strömungen, in Deutschland rund um die PorNo-Debatte der Zeitschrift Emma.

Dann gibt es noch weitere Denkschulen, die Pornographie als solche für bedenklich erklären. Deren Vorannahmen seien aber größtenteils widerlegt worden, beispielsweise die Vorstellung, dass die sexuelle Entwicklung von Jugendlichen durch den Konsum ernsthaft gefährdet würde. Studien hätten etwa gezeigt, dass Jungs, die Pornos konsumieren, durchaus kritisch damit umgehen. Auch die Annahme, dass der Konsum grober Pornographie zu gewalttätigem Sex-Verhalten führe, halten sie für unbegründet.

Den klassischen Anti-Porno-Positionen können die Referenten wenig abgewinnen, es bleibe aber das Unbehagen beim Betrachten gängiger Pornographie. Als Grund sehen sie die Ungewissheit über die Produktionsbedingungen. Dass Darsteller und Darstellerinnen wirklich freiwillig agierten, sei oft eher anzuzweifeln.

Viele Produktionsfirmen sitzen zwar in den USA. Dort, im legendären "San Fernando Valley", hätten sich Branchenstandards etabliert, der tatsächliche Dreh aber finde teilweise in oft armen Ländern statt, in denen solche Rechte kaum gelten. Während Porno-Befürworter annehmen, dass 80 Prozent der Pornos konsensual gedreht werden, gehen Kritiker eher von einem umgekehrten Verhältnis aus. Verlässliche Zahlen zu den Produktionsbedingungen von Pornos fehlten leider aber.

Becker und Meinen stellten drei Ansätze für eine mögliche Porno-Ethik vor: Bei der Produktions-Ethik gehe es eigentlich um eine klares Menschenrecht: dass eine Arbeit nicht schädige, etwa weil sie gesundheitsgefährdend ist oder Minderjährige ausgebeutet werden.

Bei einer Repräsentations-Ethik geht es um ethisch vertretbare Inhalte. Beispielsweise müsse immer klar erkennbar sein, dass die Darsteller mit freiem Willen in ihre jeweilige Rolle im Porno einwilligen. Bei der Rezeptions-Ethik gehe es darum, ob Pornokonsumenten in der Lage sind, souverän mit den Inhalten umzugehen, etwa in Form einer spezifischen Medienkompetenz.

Drei Vorschläge stellten Becker und Meinen in den Raum. Der erste überraschte: Vielleicht sei es sinnvoll, für Pornos im Sinne von Paid Content zu zahlen. Denn wenn Pornos kostenlos angeboten werden, bedeute das gleichzeitig, dass auch bei den Produktionsbedingungen gespart werde. Eine andere Idee ist ein Qualitätssiegel für unter fairen Bedingungen produzierte Pornos. Und mit Blick auf den kaum vorhandenen öffentlichen Diskurs und die damit verbundene schwache Erkenntnislage zur Pornographie schlossen Becker und Meinen mit einer Aufforderung an das Publikum und an die restliche Welt: "Lasst uns endlich damit Schluss machen, Pornographie als Tabu zu behandeln." (anw)