Vor 20 Jahren: Die Absage der CeBIT Home 2000 ebnet den Weg zur Games Convention

Der Weg von der CeBIT Home in Hannover über die Games Convention in Leipzig bis zur Gamescom in Köln und was davor passierte.

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Vor 20 Jahren: Die Absage der CeBIT Home 2000 ebnet den Weg zur Games Convention

(Bild: JJFarq/Shutterstock.com)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • René Meyer
Inhaltsverzeichnis

Heute vor 20 Jahren, am 31. Mai 2000, sagt die Messe Hannover die geplante dritte Ausgabe der CeBIT Home ab. Es ist einerseits das Ende der kurzlebigen Multimedia-Messe; gleichzeitig führt es zum Entstehen einer anderen: der Games Convention in Leipzig. Sie wiederum zieht später als Gamescom nach Köln.

In den frühen neunziger Jahren entwickelt sich die Amiga-Messe in Köln zu einer sehenswerten Spiele-Schau mit zahllosen Ausstellern. Nur für wenige Jahre, bis der Stern verglüht. Es folgt eine jahrelange Odyssee der Spiele-Branche nach einer repräsentativen Veranstaltung, die vor allem die Aufmerksamkeit der Medien anzieht. Messe-Gesellschaften winken jedoch ab. Sie sehen in einer eigenständigen Leistungsschau nur mit Computerspielen keine Perspektive.

So sind Spiele zunächst nur Beiwerk bewährter Veranstaltungen. Sony stellt die PlayStation 1995 erstmals auf der IFA vor. Auf der Frankfurter Buchmesse ist die Multimedia-Halle ein beliebter Treffpunkt der Branche. Auch auf der Nürnberger Spielwarenmesse zeigen Hersteller wie Nintendo Neues.

Und es gibt die CeBIT. Nachdem sie 1995 einen Rekord von 755.000 Besuchern erreicht, wird der Spagat immer schwieriger, Fachbesucher und privates Publikum gleichermaßen zu begeistern. So beschließt man eine kleine Schwester für den Endverbraucher. Die CeBIT Home soll sich mit der IFA abwechseln, die bis 2005 nur alle zwei Jahre stattfindet, und auch inhaltlich in deren Revier wildern. Unterhaltungselektronik, Multimedia und Vernetzung sind die Schlüsselwörter.

Die Premiere 1996 erreicht 210.000 Besucher. Kein schlechter Start; doch viele Aussteller können es sich nicht leisten, bei der großen und der kleinen CeBIT auszustellen. Und für die Besucher gibt es auf der "richtigen" CeBIT mehr und aufregendere Dinge zu sehen. So ist die zweite CeBIT Home 1998 eine Nummer kleiner. Weniger Fläche, weniger Aussteller, weniger Besucher.

Zu diesem Zeitpunkt hat Hannover bereits eine riskante Entscheidung bekannt gegeben. Weil im Jahr 2000 wegen der Expo das Messegelände belegt ist, soll die CeBIT Home an einem anderen Ort ausgetragen werden. Mehrere Städte reichen Bewerbungen ein. Leipzig gewinnt den Zuschlag. Die Deutsche Messe AG will die CeBIT Home weiterhin selbst ausrichten und sich nur in die Leipziger Messehallen einmieten, wie es bei Gastveranstaltungen üblich ist.

Bereits kurze Zeit später schaut sich Hermann Achilles die Messe Leipzig an. Er leitet mit Ronald Schäfer den jungen Verband der deutschen Spiele-Hersteller VUD. Josef Rahmen wiederum, der Chef der Leipziger Messe, besucht die CeBIT Home 1998. Ihn faszinieren die Spiele. Sie sind in der Halle 3 unter dem Schlagwort "Digital Entertainment" versammelt. Zu sehen gibt es unter anderem "Die Siedler 3" und "Age of Empires 2". Als Einstimmung treffen sich die VUD-Mitglieder zu ihrer Jahresversammlung 1999 in Leipzig.

Doch aus der CeBIT Home in Leipzig wird nichts. Nachdem auch Sony der Veranstaltung den Rücken kehrt und damit der geplanten ersten Vorstellung der PlayStation 2 in Deutschland, zieht die Messe die Notbremse.

Nur wenige Tage nach der Absage heute vor 20 Jahren schlägt Josef Rahmen dem VUD eine eigenständige Spielemesse vor. Erst 1996 hat Leipzig ein nagelneues Gelände eröffnet, die Neue Messe, schmuck und modern, mit der größten Glashalle Europas. Das will mit modernen Inhalten gefüllt werden.

Und: Die Leipziger haben Lust auf eine Spiele-Messe. Eine der ersten Neugründungen nach der Wende, noch auf dem alten Gelände beim Völkerschlachtdenkmal, ist 1992 die Computer-Messe BIK. Ende der neunziger Jahre findet eine Tagung von Internet-Cafés statt, erst regional, dann international. Und für die aufstrebende Spiele-Branche wäre die CeBIT Home ohnehin nur eine Notlösung. Sie möchte kein Anhängsel der Computer-Industrie sein, sondern – mit einem Umsatz von einer Milliarde Euro in Deutschland – eine eigene Messe haben.

Im Herbst 2000 sind sich der Verband und Leipzig einig, erinnert sich Klaus Ernst, damals wie heute Bereichsleiter. Die geplante Messe wird öffentlich angekündigt. Game On soll sie zunächst heißen.

Der Weg zur Games Convention (14 Bilder)

Die neue Messe in Leipzig, erst 1996 vor den Toren der Stadt eröffnet.
(Bild: heise online/René Meyer)

Games Convention 2007 in Leipzig (Glashalle).

(Bild: heise online/Bernd Mewes)

Der Sommer 2001 scheint zu früh, und man will nicht zeitgleich mit der IFA beginnen. So soll die neue Spiele-Messe erst 2002 starten. Die Zeit nutzt man für Vorbereitungen. Zum ersten Mal stellt die Leipziger Messe auf der E3 in Los Angeles aus und wirbt um Aussteller. Mitte 2001 formt sich ein Beirat, und gemeinsam entscheidet man sich für den Namen Games Convention. Chefin der GC wird Angela Schierholz, die im März 2001 von der Messe Hannover wechselt (und heute Angela Marten heißt).

Das Problem, dem Publikum laute und bunte Stände mit Spielstationen anzubieten und den Fachbesuchern ruhige Plätze für Gespräche, löst man mit einer Zweiteilung des Geländes in einen Besucher- und einen Business-Bereich.

Kurz vor dem Start der Games Convention 2002 gibt es zwei Rückschläge. Im April eignet sich der schreckliche Amoklauf von Erfurt: Ein ehemaliger Schüler, 19 Jahre, dringt schwerbewaffnet in ein Gymnasium und erschießt innerhalb weniger Minuten 16 Menschen. Als man herausfindet, dass er Ego-Shooter wie "Return to Castle Wolfenstein" spielt, erreicht die Killerspiel-Debatte ihren Höhepunkt. Das überschattet vor allem gegenüber der Politik die Bemühungen ausgerechnet für eine Computerspiel-Messe.

Und um ein Haar geht die erste Games Convention buchstäblich unter, wegen der Jahrhundertflut im August 2002, die Sachsen besonders trifft.

Am Ende wird alles gut. Nach der Premiere mit 80.000 Besuchern wächst die GC von Jahr zu Jahr. Sie gilt bald als die erfolgreichste Neugründung einer Messe seit Jahrzehnten. Das Ende der ECTS in London 2004 hilft der Messe, sich international zu etablieren.

Für Hermann Achilles ist es die Games Convention, die der deutschen Spiele-Branche zum ersten Mal ein Gesicht gibt. Susanne Tenzler-Heusler, die als Pressesprecherin die Kommunikation der GC aufbaut, sieht es als den Verdienst von Leipzig, Spiele aus der "Schmuddelecke" herauszuholen und die Wahrnehmung der Branche zum Positiven zu verändern. Ein Grund dafür sei, Themen wie Jugendschutz und Medienkompetenz unter Hinzunahme von Partnern wie der Universität Leipzig von vornherein einzubinden. Neben dem Familienbereich GC Family zeigen Elemente einer Entwicklerkonferenz und Musik (wie das traditionelle Symphoniekonzert zur Eröffnung im ehrwürdigen Gewandhaus), dass Spiele nicht nur Spielen sind. Die aufwendigen und geschmackvollen Standbauten und Bühnenprogramme der Aussteller tun ihr übriges, Spiele als ebenso achtbar wie etwa Filme anzusehen.

Das weckt Begehrlichkeiten. Andere Städte bemühen sich um die erfolgreiche Spiele-Messe. Und innerhalb des VUD gibt es Auseinandersetzungen um die Ausrichtung des Verbands. Sie führen 2005 zur Auflösung und zur Neugründung mit dem Namen BIU. In Berlin, nahe der großen Politik. Neue Köpfe haben das Sagen, und auch innerhalb der Branche entsteht die Überlegung, an einem anderen Standort noch mehr Aufmerksamkeit zu erhalten und sich besser gegen eine mögliche Neuauflage der ECTS London zu wappnen. Zumal Leipzig an seine Grenzen stößt. Alle Hallen sind gefüllt, es gibt zu wenig Hotelzimmer, und es gibt kaum internationale Flugverbindungen. Gebiete wie NRW haben ein größeres Einzugsgebiet und mehr regionale Spiele-Studios.

2009 passiert es tatsächlich: Die Messe zieht nach Köln. Als Gamescom, da die Rechte für den Namen Games Convention in Leipzig liegen. Auch wenn die Messe streng genommen nur dahin zurückgeht, wo sie ursprünglich herkommt, ist das Verlieren der größten Spiele-Messe der Welt für die stolze Messestadt ein herber Schlag. Letztendlich gibt der Erfolg dem Umzug recht: Die Gamescom ist mittlerweile doppelt so groß und zieht doppelt so viele Besucher an wie die Games Convention in ihrem letzten Jahr.

Nach der letzten Games Convention 2008 mag Leipzig nicht aufgeben. Ein Jahr später findet, fast zeitgleich mit der ersten Gamescom in Köln, die Games Convention Online statt. Sie startet klein und wird schon im zweiten Jahr zu einer Fachbesucher-Messe reduziert. Eine dritte Ausgabe gibt nicht. Mittlerweile hat Leipzig wieder Spiele im Programm. Seit 2006 wächst die DreamHack Leipzig, die Spielemesse, E-Sport-Turniere und Deutschlands größte LAN-Party vereint.

Und die Gamescom, die findet dieses Jahr wegen der Corona-Pandemie nur virtuell statt.

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