Open RAN: Offene Mobilfunkstandards sollen US-Start-ups helfen

Milliarden gibt die US-Regierung aus, um Open Radio Access Networks zum Erfolg zu verhelfen. Für US-Start-ups ist das die beste Chance auf Markteinstieg.​

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2 schwarze Arbeiter in der Spitze eines neuen Antennenturms

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

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Huawei, Ericsson und Nokia dominieren den Markt der Komponenten für Mobilfunknetze. Dahinter folgt mit ZTE ein zweites chinesisches Unternehmen. Amerikanische Unternehmen spielen keine große Rolle, und Nummer 1 und 4 kommen ausgerechnet aus der Volksrepublik China. Das missfällt in Washington. Amerikas Stärke sind Start-ups. Doch kaufen Netzbetreiber meistens alles aus einer Hand, was Start-ups nicht bieten können. Daher wollen die USA die Einkaufsgewohnheiten der Netzbetreiber ändern.

Der Hebel dazu heißt Open RAN. Das steht für Open Radio Access Network. Standards sollen dafür sorgen, dass Hard- und Software unterschiedlicher Lieferanten zueinander passen und damit im Mischbetrieb eingesetzt werden können. Damit, so der Gedanke, müssten Netzbetreiber nicht mehr bei einem der wenigen großen Anbieter alles aus einer Hand kaufen, sondern können Komponenten bei verschiedenen Herstellern bestellen. Parallel würde das kleineren Unternehmen ermöglichen, in den Markt einzusteigen, indem sie sich auf bestimmte Komponenten spezialisieren. Und das wäre eine Chance für US-Start-ups.

Das ist einfacher gesagt als getan. Die Standards sind nicht so detailliert festgezurrt, dass beliebige Komponenten als Plug & Play durch Konkurrenzprodukte austauschbar wären. Daher ist der Markterfolg für Open RAN bislang bescheiden. Das Risiko von Kompatibilitätsproblemen ist den meisten Mobilfunk-Netzbetreibern zu groß. Kaufen sie alles aus einer Hand, haben sie einen klaren Ansprechpartner, der bei Problemen zuständig ist. Wenn aber Geräte dreier verschiedener Hersteller unvorhergesehene Probleme bereiten, ist nicht unbedingt klar, wer für deren Lösung zuständig ist.

Bislang ist von echtem Open RAN wenig zu sehen. Jene Netzbetreiber, die sich in erheblichem Ausmaß darauf einlassen, beziehen die meisten Bestandteile erst wieder aus einer Hand. Beispiel Nummer 1: Der bislang größte Open-RAN-Auftrag erging zur Gänze an Ericsson. Das Risiko von Kompatibilitätsproblemen ist den meisten Mobilfunk-Netzbetreibern einfach zu groß. Kaufen sie alles von einem Anbieter, ist dieser zuständig, wenn es Probleme gibt. Wenn jedoch Geräte dreier verschiedener Hersteller im Konzert unvorhergesehene Probleme bereiten, ist nicht unbedingt klar, wer für deren Lösung verantwortlich ist.

Dennoch bietet Open RAN US-Start-ups die besten Aussichten, in den Markt für Mobilfunknetze einzusteigen und die chinesisch-europäische Dominanz zu brechen. Also wirft Washington sich ins Zeug.

US-Präsident Joseph Biden bewirbt Open RAN persönlich bei ausländischen Regierungen; die Tageszeitung Washington Post nennt in einem aktuellen Bericht konkret Indien, die Philippinen und Saudi-Arabien. Das US-Parlament hat dem Außenministerium sogar eine Stange Geld genehmigt: Eine halbe Milliarde US-Dollar soll binnen fünf Jahren für die Förderung der Entwicklung, aber auch des Einsatzes, von Open RAN sowie sicherer Halbleitertechnik fließen.

Sogar eineinhalb Milliarden Dollar erhält die Behörde NTIA (National Telecommunications and Information Administration) über zehn Jahre, für "wireless innovation". Gemeint sind "open and interoperable networks", als Open RAN. Mit dem Geld sollen die Standards nicht nur weiterentwickelt und getestet, sondern auch vermarktet werden. Die NTIA möchte das Geld schneller ausgeben als über ein ganzes Jahrzehnt.

Am Montag hat die NTIA angekündigt, in Dallas ein Testzentrum einzurichten. Ziel ist, Bedenken hinsichtlich Kompatibilität und IT-Sicherheit zu zerstreuen. Zu den Teilnehmern gehören neben US-Universitäten und US-Mobilfunker die Netzbetreiber NTT Docomo aus Japan und Reliance Jio aus Indien. Von Anbieterseite haben Microsoft, Nokia, Radisys, Airspan, Ericsson, Fujitsu, Rakuten, Samsung, Mavenir, VMWare, Redhat, Wind River, Ciena, Cisco, Dell, Intel, Amdocs, Keysight und VIAVI ihre Teilnahme zugesagt.

Auch die US Trade and Development Agency (USTDA) und die US Agency for International Development (USAID) ziehen am Open-RAN-Strang. Beispielsweise finanziert die USTDA in Indonesien sowie der Türkei Studien über den möglichen Einsatz von Open-RAN. Eine ebenfalls USTDA-finanzierte Studie in Nigeria habe dort bereits zu Bestellungen von US-Anbietern geführt, berichtet die Zeitung. In Brasilien richtet die US-Botschaft eine Testumgebung für Open-RAN ein. Zudem können US-Anbieter bei einschlägigen Exportaufträgen auf Finanzierungshilfe seitens der US International Development Finance Corporation sowie der Export-Import Bank of the United States zurückgreifen.

(ds)