Russland: Industrieproduktion laut ESA-Satellit stärker gesunken als behauptet

Seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wird Russlands Daten zur Wirtschaft nicht mehr geglaubt. Ein Erdbeobachtungssatellit der ESA liefert Daten.

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Sentinel-5P in einer Grafik der ESA.

(Bild: ESA)

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Daten des europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-5P legen nahe, dass die industrielle Produktion in Russland nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine deutlich stärker zurückgegangen ist, als offizielle Institutionen des Landes eingestehen. Das berichtet das Wall Street Journal unter Berufung auf Auswertungen, die das französische Unternehmen QuantCube vorgenommen hat. Demnach lag das Ausmaß der Luftverschmutzung in russischen Industrieregionen im Frühjahr 6,2 Prozent unter dem des Vorjahreszeitraums, während es aus Russland heiße, dass die Industrieproduktion um 1,2 Prozent gestiegen sei. Der gemessene Rückgang ist demnach stärker als der ermittelte Höchstwert während der Coronapandemie.

Weil die Daten geografisch aufgeschlüsselt sind, seien einzelne Industriebereiche zu unterscheiden, schreibt die US-Zeitung weiter. Besonders stark ist der Produktionsrückgang demnach in der Autoindustrie, ein ebenfalls massiver Rückgang in der Rüstungsindustrie wurde demnach teilweise wieder aufgefangen. Ein Wachstum, von dem offiziell bereits wieder die Rede ist, lässt sich demnach aus dem Orbit nur in der Metallindustrie bestätigen, auch Wärmekraftwerke stoßen demnach mehr nachweisbare Schadstoffe aus. Alle anderen Industriebereiche sind den Messungen zufolge mehr oder weniger stark geschrumpft.

Die Frage der wirtschaftlichen Folgen des Angriffskriegs gilt in Russland als besonders sensibel, Evan Gershkovich vom Wall Street Journal war nach einem Artikel zu den wirtschaftlichen Schwierigkeiten festgenommen worden und sitzt weiterhin in Haft. Andere westliche Reporter hatten das Land daraufhin teilweise fluchtartig verlassen. Die Satellitendaten werden jetzt unter anderem auch bei der Europäischen Zentralbank für so verlässlich gehalten, dass sie in Analysen der wirtschaftlichen Entwicklung Russlands einfließen.

Sentinel-5P steht für "Sentinel-5 Precursor", es handelt sich also eigentlich um einen Vorläufer. Der Satellit wurde im Oktober 2017 gestartet und überwacht mit dem Spektrometer Tropomi die Luftverschmutzung durch verschiedene Stoffe. Für Aufsehen haben die Messungen zu Anfang der Coronapandemie gesorgt, als der Erdbeobachtungssatellit nicht nur die drastischen Folgen der ersten Ausgangssperren in China, sondern später auch in Italien beobachtet hat. Dabei ging es vor allem um den Rückgang von Stickstoffdioxid (NO2) über den Gebieten, in denen die Wirtschaft weitgehend lahmgelegt worden war.

(mho)