Rote Linien: Faeser jetzt auch gegen Chatkontrolle mit Handy-Scanning

Lange blockierte Innenministerin Faeser eine klare Position der Regierung gegen den EU-Plan zum Durchsuchen von Chats auf Endgeräten. Nun lenkt sie ein.​ ​

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(Bild: Juergen Nowak/Shutterstock.com)

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Die Bundesregierung wird voraussichtlich bald in Brüssel bei den weiteren Verhandlungen über die geplante EU-Verordnung zur Online-Überwachung unter dem Aufhänger des Kampfs gegen sexuellen Kindesmissbrauch mit einer Stimme sprechen können. Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ist jetzt gegen die damit verknüpfte Chatkontrolle etwa mithilfe von Client-Side-Scanning (CSS), also dem sehr umstrittenen Durchsuchen und Ausleiten privater Kommunikation direkt auf Endgeräten der Nutzer. Damit hätte die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung von Diensten wie WhatsApp und Signal unterlaufen werden können.

Das Bundesinnenministerium (BMI) habe einen entsprechenden Entwurf für eine Stellungnahme der Bundesregierung verfasst, schreibt der Newsletter-Dienst "Tagesspiegel Background". Es sei "unbedingt erforderlich", dass die geplanten Vorschriften "im Einklang mit den grundrechtlichen Anforderungen insbesondere an den Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation und an den Schutz der Privatsphäre" stehen, heißt es darin demnach. "Ein hohes Datenschutzniveau, ein hohes Maß an Cybersicherheit, einschließlich einer durchgängigen und sicheren Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in der elektronischen Kommunikation sind für die Bundesregierung unerlässlich."

Maßnahmen, die zu einem Bruch, einer Schwächung, Modifikation oder einer Umgehung durchgehender Verschlüsselung führten, sind dem Bericht zufolge laut dem Papier durch "konkrete technische Anforderungen im Verordnungsentwurf auszuschließen". Jegliche Vorgaben, die zu einem "Scannen privater verschlüsselter Kommunikation führen", lehne das BMI ab. Zuvor hatte etwa der digitalpolitische, SPD-nahe Verein D64 Alarm geschlagen, dass "die Vorschläge des Innenministeriums weiterhin auf das Ende der Privatheit von Kommunikation" hinausliefen, da sie CSS zuließen. Noch Mitte Dezember verhinderte die SPD-Fraktion zudem eine gemeinsame Stellungnahme der Ampel im Bundestag gegen die Überwachung auch verschlüsselter Chats.

Die Regierungsparteien haben sich in ihrem Koalitionsvertrag gegen flächendeckende Kinderporno-Scans, für das Recht auf anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets sowie die Stärkung von durchgehender Verschlüsselung ausgesprochen. Faesers ursprüngliche Position hätte damit gebrochen. Die FDP-geführten Bundesministerien für Digitales und Justiz stellten dagegen schon frühzeitig rote Linien gegen die Chatkontrolle und CSS auf. Justizminister Marco Buschmann versicherte Mitte Dezember, der Streit mit dem BMI sei beendet und die Regierungslinie stehe. Doch wochenlang folgten auf die Worte keine Taten. Nun soll der Standpunkt der Exekutive aber offenbar rasch beschlossen werden.

Noch abseits der Koalitionsvereinbarung liegt das Innenressort der Meldung zufolge bei der Pflicht zur Altersverifikation für Messenger- und Hosting-Dienste sowie App-Stores, welche die EU-Kommission plant. Das BMI drängt hier demnach auf die weitere Option einer anonymen oder jedenfalls pseudonymen Nutzung. Dazu kämen etwa die eID im Online-Ausweis oder gleichrangige Alternativen in Frage. Felix Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) bewertet solche Ansätze in einer Eingabe an den Bundestag aber als "äußerst eingriffsintensiv", was sich auch durch die vorgesehene EUid nicht ändere. Es sei gar "keine technische Lösung zur Altersverifizierung in Aussicht, die eine anonyme Internetnutzung ermöglicht". Ein Weg über Pseudonyme sei kein adäquater Ersatz.

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Maximilian Funke-Kaiser kritisierte die Linie des Innenministeriums nach wie vor gegenüber dem Portal Netzpolitik.org: "Die roten Linien der FDP-Ministerien sind nicht als Maximalforderung zu verstehen, sondern ergeben sich klar aus der im Koalitionsvertrag verbrieften Absage an das Scannen privater Kommunikation." Auch die von Faeser noch geforderte "Chatkontrolle light" in Form von serverseitigem Scannen sei ein gefährlicher Eingriff in die Grundrechte derer, die keine verschlüsselte Kommunikation nutzen. Der Liberale fordert vor diesem Hintergrund, schnell ein Recht auf Verschlüsselung umzusetzen. Auch laut anderen Koalitionspolitikern sollen die beteiligten Ministerien bislang nur "Trippelschritte" gemacht haben und ohne Einigung auch in Fragen wie Websperren auseinandergegangen sein.

(axk)