Online Safety Bill: Bei Pornografie soll Altersverifikation Pflicht werden

Alle Online-Angebote inklusive Social Media, die pornografische Inhalte verbreiten, müssen laut der britischen Regierung künftig eine Altersprüfung durchführen.

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(Bild: Sam Wordley/Shutterstock.com)

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In Großbritannien soll der Jugendschutz im Rahmen des geplanten und seit Monaten umkämpften Online Safety Bill noch einmal verschärft werden. Mit dem Gesetz sollen künftig neben Erotik-Portalen wie Pornhub oder xHamster auch die Betreiber von sozialen Netzwerken und anderen Diensten, die potenziell pornografische Inhalte verbreiten, ausdrücklich dazu verpflichtet werden, "hocheffektive" Maßnahmen zur Altersverifikation oder -schätzung einzusetzen. Ziel ist es, dass Kinder und Jugendliche über diese Angebote nicht mehr auf Pornografie zugreifen können.

Einen entsprechenden Bericht des "Guardian" bestätigte ein Sprecher des britischen Technologieministeriums am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur "Bloomberg". Führungskräfte von Internetunternehmen sollen demnach persönlich für die Sicherheit von Kindern auf ihren Plattformen verantwortlich gemacht werden. Details zu den geplanten Vorschriften nannte das Ressort nicht. Laut dem "Guardian" sollen auch Alterskontrollsysteme einsetzbar sein, die das Alter eines Nutzers anhand eines eingereichten Selfies mithilfe von Systemen mit Künstlicher Intelligenz (KI) und biometrischer Gesichtserkennung einschätzen können.

Momentan berät das Oberhaus des britischen Parlaments, das House of Lords, über den Regierungsentwurf und mögliche Änderungsanträge. Der Wunsch der Regierung, Kinder zu schützen, sei zwar verständlich, erklärte Monica Horten, Expertin für Meinungsfreiheit bei der britischen Bürgerrechtsorganisation Open Rights Group zu den neuen Vorschlägen. Die Mitglieder des Oberhauses und die restlichen Abgeordneten müssten aber "die Datenschutzrisiken berücksichtigen, die damit einhergehen, dass Websites gezwungen werden, das Alter ihrer Benutzer zu überprüfen".

Einige dieser Systeme nutzten Gesichtserkennungstechniken, um das Alter von Menschen zu bestimmen, führte Horten aus. Über die Erfassung großer Bestände an biometrischen Daten von Kindern durch private Unternehmen ohne vorhandene Regulierungsstrukturen sollten sich "alle Eltern große Sorgen machen". Mit diesen Änderungen bestehe zudem die Gefahr, dass Jugendliche von Webseiten ausgeschlossen werden. Plattformanbieter dürften Heranwachsende aus Angst vor verschuldensunabhängiger Haftung und strafrechtlichen Sanktionen lieber ganz außen vor halten, als sich für "teure und unerprobte Altersschätzungssysteme" zu entscheiden.

Die technischen Mittel, die Unter-18-Jährige von den pornografischen Inhalten fernhalten sollen, sind auch hierzulande heftig umstritten. Wer selbst neue, auf KI basierende Entwicklungen bei Altersverifikationssystemen (AVS) nicht nutze, "handelt wirklich fahrlässig", betonte jüngst Marc Jan Eumann, Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Porno-Aktivisten halten die AVS-Pflicht selbst dagegen für gefährlich, da sie die Mehrheit der Nutzer auf Seiten im Ausland außerhalb der hiesigen Jurisdiktion treibe.

Die KJM hat mittlerweile über 100 unterschiedliche Konzepte beziehungsweise Module für AVS gutgeheißen, darunter auch drei, die mit biometrischer Altersbestimmung arbeiten. Die KJM geht zusammen mit Landesmedienanstalten gegen vier Plattformanbieter wie MindGeek mit Pornhub oder den xHamster-Betreiber vor, die ihren Sitz in anderen EU-Staaten beziehungsweise in den USA haben. Mit den britischen Plänen wird der Druck auf diese Firmen größer, AVS einzusetzen.

Social-Media-Betreiber sollen mit den neuen Korrekturvorschlägen ferner angewiesen werden, Kinder und Jugendliche vor gefährlichen "Stunts" und Herausforderungen auf ihren Plattformen zu schützen. Dabei geht es um "Challenges", die "mit hoher Wahrscheinlichkeit zu schweren Verletzungen führen" könnten, zu solchen Aktionen ermutigten "oder Anweisungen dazu geben“. Vor allem TikTok steht in der Kritik für einschlägige Inhalte wie die "Blackout-Challenge", bei der Nutzer dazu aufgefordert werden, sich zu würgen, bis sie ohnmächtig werden. Der chinesische App-Betreiber hat solche Wettbewerbe eigentlich bereits untersagt.

Der Gesetzentwurf sieht außerdem vor, dass soziale Netzwerke proaktiv verhindern müssen, dass Kinder etwa Material sehen, das Selbstmord und Selbstverletzung fördert. Die Regulierungsbehörde Ofcom soll Leitlinien zum Schutz von Frauen und Mädchen im Internet für Online-Unternehmen erstellen. Der aktualisierte Entwurf wird auch die Weitergabe von Deepfake-Intimbildern in England und Wales unter Strafe stellen.

Plattformen sollen zudem verpflichtet werden, auch erwachsene Nutzer zu fragen, ob sie Inhalte, die Selbstverletzung oder Essstörungen fördern oder rassistisch sind, lieber vermeiden wollen. Verstöße werden der Initiative zufolge mit einer Geldstrafe von 18 Millionen Pfund oder bis zu 10 Prozent des weltweiten Umsatzes geahndet. Im extremsten Fall soll die Ofcom Plattformen blockieren können. Technologieminister Paul Scully hob hervor, die Regierung wolle das Gesetz zum "globalen Standard" für den Schutz von Kindern im Internet machen.

Mit dem Online Safety Bill sollen Anbieter von Messaging-Diensten auch verpflichtet werden, automatisiert Nachrichten auf Darstellungen sexuellen Kindesmissbrauch zu durchsuchen. Dagegen laufen Plattformbetreiber wie Signal, Meta mit WhatsApp oder Apple sowie Bürgerrechtsorganisation Sturm, da sie die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung in Gefahr sehen. In der EU gibt es mit dem Gesetzentwurf zur Chatkontrolle ähnliche Pläne, die nicht minder strittig sind. Dabei geht es ebenfalls um die Altersverifikation, gegen die es auf Ebene des EU-Parlaments aber Bedenken gibt.

(bme)