Mobilfunk-Patentkrieg: EU beschwert sich bei der WTO über China

Die EU hat bei der WTO ein Verfahren gegen China eingeleitet. Sie beklagt, dass Gerichte dort Ericsson, Conversant & Co. Prozesse etwa gegen Huawei verbieten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 88 Kommentare lesen

(Bild: Feng Yu/Shutterstock.com)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Neue Runde im vielschichtigen Streit über standardessenzielle Patente (SEP): Die EU hat am Freitag bei der Welthandelsorganisation WTO ein Verfahren gegen China eingeleitet, um entscheidende Fragen in diesem Bereich klären zu lassen. Sie wirft dem Reich der Mitte vor, den Rechtsschutz von EU-Unternehmen in Auseinandersetzungen über SEP einzuschränken. Die Betroffenen dürften sich nicht an ein ausländisches Gericht wenden, um ihre Patentansprüche durchzusetzen.

Es gehe vor allem um den gewerblichen Rechtsschutz von Schlüsseltechnologien wie 3G, 4G und 5G, erläutert die EU-Kommission, die sich an die WTO gewandt hat. Im Mobilfunksektor wird seit vielen Jahren mit harten Bandagen ein Patentkrieg geführt, der mittlerweile etwa auch auf die Automobilindustrie übergeschwappt ist. Die Brüsseler Regierungsinstitution sieht europäische Mobilfunkausrüster wie Ericsson oder Patentverwerter wie Conversant Wireless nun ins Hintertreffen geraten, wenn deren geschützte Technologien etwa "von chinesischen Mobiltelefonherstellern illegal oder ohne angemessenen Ausgleich genutzt werden".

Patentinhaber, die außerhalb Chinas vor Gericht gehen, werden in der Volksrepublik "oft mit erheblichen Geldstrafen belegt", moniert die Kommission. Dadurch gerieten sie unter Druck, "sich mit Lizenzgebühren unter den marktüblichen Sätzen zufrieden zu geben". Diese chinesische Politik beeinträchtige "Innovation und Wachstum in Europa außerordentlich", heißt es in Brüssel. Sie nehme "europäischen Technologieunternehmen de facto die Möglichkeit, die Rechte auszuüben und durchzusetzen, die ihnen einen technologischen Vorsprung verleihen".

SEP sind für die Produktion von Gütern wie Mobiltelefonen, die einem bestimmten internationalen Standard entsprechen sollen, unerlässlich. Die Inhaber standardessenzieller Patente sind daher grundsätzlich verpflichtet, einem Interessenten eine Lizenz zu "fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen" (FRAND) zu geben.

Umstritten ist aber immer wieder, wie diese Konditionen konkret ausfallen und wer eine geschützte Technik lizenzieren muss. Hält ein Inhaber eines standardessenziellen Patents eine vom Lizenznehmer angebotene Gebühr für zu niedrig oder verweigert letzterer eine Zahlung völlig, kann der Schutzrechthalter ein Gericht anrufen, um den Verkauf von Produkten zu untersagen, die die nicht lizenzierte Technik enthalten.

So hatte etwa der luxemburgische Patentverwerter Conversant, den Nokia mit zahlreichen gewerblichen Schutzrechten munitionierte, vor dem Landgericht Düsseldorf eine Unterlassungsanordnung gegen Huawei erlangt. Es ging dabei um die Lizenzierungsrate für ein 5G-SEP, das der chinesische Mobilfunkriese in Smartphones implementierte. Conversant wollte die Anordnung über ein Gericht in Nanjing durchsetzen lassen und erhielt zunächst Recht, doch das mittlerweile selbst mit einem stattlichen Patentportfolio ausgerüstete Huawei wandte sich daraufhin an das Oberste Volksgericht Chinas.

Dieses erließ im August 2020 eine einstweilige Verfügung, die es Conversant unter Androhung einer Geldstrafe in Höhe von 130.000 Euro pro Tag untersagte, die Vollstreckung des erstinstanzlichen Unterlassungsurteils des Landgerichts Düsseldorf zu beantragen, bevor das eigene endgültige Urteil ergeht und rechtskräftig wird. Laut der Kommission kommt dies einem nicht mit internationalem Handelsrecht zu vereinbarendem "Prozessführungsverbot" vor ausländischen Gerichten gleich.

Seit dem Beschluss des Obersten Volksgerichts haben laut der Beschwerde zwei niedere Gerichte in Wuhan und Shenzhen in vier anderen Fällen diese höchstrichterliche Rechtsprechung aufgegriffen und ihrerseits die Prozessführung durch ausländische Patentinhaber in anderen Jurisdiktionen untersagt. Dabei geht es um SEP-Streitigkeiten zwischen Ericsson und Samsung, Conversant und ZTE, InterDigital und Xiaomi, die sich mittlerweile aber geeinigt haben, sowie Sharp und Oppo.

"Dadurch werden europäische High-Tech-Unternehmen bei der Verteidigung ihrer Rechte in erheblichem Maße benachteiligt", kritisiert die Kommission. Für sie steht außer Zweifel: "Chinesische Hersteller fordern diese Prozessführungsverbote, um von billigerem oder sogar kostenlosem Zugang zu europäischer Technologie zu profitieren." Handelskommissar Valdis Dombrovskis betonte: "EU-Unternehmen steht es zu, ihr Recht zu fairen Bedingungen einzuklagen, wenn ihre Technologie illegal eingesetzt wird." Deshalb seien die eingeleiteten WTO-Konsultationen nötig.

Die EU hatte den Streit über die Prozessführung nach Kommissionsangaben gegenüber China zuvor "mehrfach zur Sprache gebracht, um eine Lösung zu finden". Diese Bemühungen seien jedoch ohne Erfolg geblieben. Es bleibe daher nur der Gang nach Genf, da die Maßnahmen Chinas nicht mit dem WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS) vereinbar seien.

Die von der EU beantragten Konsultationen sind der erste Schritt des WTO-Streitbeilegungsverfahrens. Führen sie innerhalb von 60 Tagen nicht zu einer auch für die Staatengemeinschaft zufriedenstellende Lösung, kann diese die Einsetzung eines WTO-Panels beantragen, das dann in der Sache entscheiden würde. Auf einem anderen Blatt stünde im Anschluss, ob China ein solches Dekret anerkennen und befolgen würde.

(tiw)