Meta löscht Facebooks Gesichtserkennungs-Profile

Jahrelang hat Facebook die Gesichter mehr als einer Milliarde Menschen biometrisch ausgewertet – oft ohne Einwilligung. In der Krise löscht Meta die Daten.

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Symbolische Darstellung der biometrischen Rasterung eines weiblichen Gesichts mit roter Maske

(Bild: Haris Mm/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.

"Wir werden die individuellen Vorlagen für Gesichtserkennung für mehr als eine Milliarde Menschen löschen", verspricht Jerome Pesenti. Er leitet bei Meta (ehemals Facebook) die Abteilung für Künstliche Intelligenz (KI). Der Konzern ist schrittweise in eine tiefe Krise gerutscht – so tief, dass sogar der gesamte Konzern umbenannt wurde. Bürgerrechtler haben Metas Gesichtserkennung seit jeher scharf kritisiert. Die Auswertung hochgeladener Fotos und Videos erfolgte nämlich ohne ausdrückliche Einwilligung der Betroffenen.

Wer nicht gerastert werden, aber trotzdem Metas Produkte nutzen wollte, musste in den Einstellungen suchen, um die Gesichtserkennung auszuschalten. Die Rechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise war seit Beginn der automatischen Gesichtserkennung bei Facebook im Jahr 2010 umstritten. In Europa erkennt Facebook Gesichter seit Mitte 2011 aus.

Noch im selben Jahr eröffnete der damalige Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar ein Verfahren gegen Facebook. Doch bereits ein Jahr später wurde das Verfahren gegen Facebooks Gesichtserkennung ausgesetzt. Denn zuständig war in erster Linie Irlands Datenschutzbehörde.

Der österreichische Datenschutz-Aktivist Max Schrems, damals Student der Rechtswissenschaften, hatte die irische Behörde angerufen. In einem absurd anmutenden Schritt ordnete die Behörde daraufhin Verhandlungen zwischen Facebook und dem Wiener Studenten an.

Facebook behauptete damals, die User würden schon bei der ersten Anmeldung "zu allem" zustimmen, auch zur biometrischen Auswertung ihrer Gesichter. Wie das Dritte binden soll, die auf hochgeladenen Fotos zu sehen sind, konnte der Datenkonzern nie schlüssig erklären. Dieses Jahr musste Facebook jedem Nutzer im US-Staat Illinois 350 US-Dollar als Entschädigung für die ungefragte Gesichtserkennung zahlen – in Summe immerhin 650 Millionen Dollar.

Die notwendigen Algorithmen borgte sich Facebook ursprünglich beim israelischen Start-up Face.com aus, bevor Facebook die Technik für Gesichtserkennung kurzerhand kaufte, samt Start-up. "In den nächsten Wochen" wird das automatische Gesichtserkennungssystem konzernweit deaktiviert.

Denn nach über einem Jahrzehnt kommen Gesetzgeber und Datenschutzbehörden langsam in die Gänge. Und Meta, das sich gerade vom Cambridge-Analytica-Skandal zu erholen glaubte, ist durch neue Enthüllungen in eine noch tiefere Krise gerutscht. Eine Whistleblowerin konstatiert, dass Facebook mit der Demokratie unvereinbar sei.

Da braucht Meta gute Nachrichten. Nach der Löschung von 1.300 Propaganda-Konten der Regierung Nicaraguas auf Facebook kurz vor Wahlen kommt nun die Ankündigung der Löschung der Gesichtserkennungsprofile.

"Das ist Teil einer firmenweiten Einschränkung des Einsatzes von Gesichtserkennung in allen unseren Produkten", teilt Pesenti auf Twitter mit, "Es war keine einfache Entscheidung, weil es viele Orte gibt, wo Gesichtserkennung extrem nützlich für die Leute auf Facebook war. Aber wir mussten das gegen die wachsenden Bedenken der Öffentlichkeit über Gesichtserkennung im Ganzen abwägen. Regulierer arbeiten auch noch an klaren Regeln für die Technik. Also beschränken wir den Einsatz auf ein enges Feld."

Meta gibt Gesichtserkennung also nicht komplett auf. Zur Entsperrung von Geräten, zur Bekämpfung von Betrug und Identitätsanmaßung oder zu Identifizierung zwecks Zugriff auf ein gesperrtes Konto möchte Meta weiterhin Gesichter biometrisch auswerten. Was andere Einsatzbereiche betrifft, sei eine offene Debatte angezeigt, auf die er sich freue, sagt Pesenti.

Einen Nachteil bringt die Abschaltung der Gesichtserkennung für blinde und sehschwache Facebook-User. Die automatisch für Bilder erstellten Alt-Texte können nicht mehr mitteilen, wessen Konterfeis abgelichtet sind. Gleichzeitig entfällt die automatische Benachrichtigung von Facebook-Nutzern, wenn sie auf einem Bild zu sehen sind, das jemand anderer hochgeladen hat. Meta möchte die Nutzer nun dazu anregen, manuell einzutragen, wer auf welchen Fotos und Videos zu sehen ist. An der Datensammlung ist Meta natürlich weiterhin interessiert.

(ds)