Internetworld: Branche im "rasenden Stillstand"

Staatssekretär Siegmar Mosdorf will die besten Media Labs und Hochschulen nach Deutschland locken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 57 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Die Internet-Wirtschaft und die IT- und Telekommunikationsindustrie bleiben für Siegmar Mosdorf, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, auch nach der Ernüchterung an den Börsen die treibenden Kräfte der Veränderung der Volkswirtschaft. "Die Pixelrevolution geht weiter", sagte der SPD-Politiker heute bei der Eröffnung der Internetworld in Berlin. So sei der Telekommunikationsmarkt im vergangenen Jahr um 11 Prozent gewachsen, in diesem Jahr sollen es 10 Prozent sein. Die gesamte Branche, die heute mit ihren rund 800.000 Beschäftigten und einem Umsatz von 250 Milliarden Mark noch hinter dem Straßen- und Maschinenbau sowie der Elektrotechnik auf Platz vier der wichtigsten Industrien in Deutschland liege, wird laut Mosdorf "in wenigen Jahren Platz eins belegen".

Auch Thomas Heilmann, Internet-Sprecher der CDU, zeigte sich optimistisch. Seiner Meinung nach senkt das Netz die Transaktionskosten "für alle" dramatisch. Der Chef der Werbeagentur Scholz & Friends Berlin erwartet daher eine "Rationalisierungswelle, die die Welt noch nicht gesehen hat". Das Internet entwickle sich zum Motor für die gesamte Wirtschaft.

Das Auf und Ab der New Economy scheint den Experten allerdings Rätsel aufzugeben. Mosdorf griff zur Beschreibung des momentanen Stands der "Netzrevolution" auf den französischen Medienphilosophen Paul Virilio zurück, der einen "rasenden Stillstand" diagnostiziert hat. Angesichts der vielen Veränderungen, so Mosdorf, müsse man genau hinschauen, wo wirklich etwas vorangehe oder wo letztlich Rückschritte zu erwarten seien.

Um Deutschland in der "Champions League" der wichtigsten Informationsgesellschaften weiter nach vorne zu bringen, setzt der Staatssekretär auf eine neue Bildungsoffensive. "Die besten Media Labs und die besten Hochschulen" will Mosdorf angesichts der Internationalisierung des Bildungsmarktes mit Ablegern nach Deutschland holen. "Wie Singapur in Südostasien wollen wir ein Hub werden für Mittel- und Osteuropa." Den "strategischen Hafen" soll die Region Berlin-Brandenburg bilden, da sie günstig liege und bereits über ein enormes Potenzial im Bereich der Wissensindustrien verfüge. Als mögliche Kooperationspartner schweben Mosdorf Größen wie Harvard, Stanford, Berkeley oder das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston vor. Das MIT hat allerdings vor kurzem erst ein europäisches Media Lab in Dublin eröffnet.

Den zweiten Vorteil Deutschlands sieht Mosdorf seit langem in der starken Content-Industrie hierzulande. Die sei nun auch gefragt, um den 90 Prozent der Schulen, die bereits am Netz seien, interessante Inhalte zu bieten.

Die Internetworld endet am Donnerstag. Dem Veranstalter ComMunic zufolge handelt es sich längst nicht mehr um eine reine "Dotcom-Messe", da Größen wie IBM, Microsoft, Sun und Bankkonzerne vertreten seien. Die Vertreter der New Economy fehlen allerdings nicht vollständig: 40 Startups sind in einer eigenen Gründer-Ära rund um die "VC-Welt" gebündelt. Insgesamt spiegelt die Messe die Veränderung der Branche wider, in der nun die Konzerne den Ton angeben und große E-Business-Projekte vorantreiben. (Stefan Krempl). (em)