Internet-Grundversorgung: Verbände halten Satelliten-Anschlüsse für ausreichend

Netzbetreiber machen Druck auf die Politik: Satelliten-Internet soll beim Recht auf schnelles Internet berücksichtigt werden – sonst leide der Breitbandausbau.

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Astra 1A Satellit

(Bild: dpa, SES Platform Services)

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Vertreter der Digitalbranchen und der kommunalen Unternehmen drängen darauf, bei der geplanten Internet-Grundversorgung auch Zugänge über Satellit zuzulassen. In Stellungnahmen und mit Vorführungen von Satelliten-Internet für politische Vertreter in Berlin versuchen sie Druck aufzubauen, damit Satelliten-Internet in der Verordnung der Bundesnetzagentur berücksichtigt wird. Andernfalls, so warnen sie, könnten die Breitband-Ausbauziele der Bundesregierung, in jedes Haus Glasfaser zu legen, bis zum Jahr 2030 nicht erreicht werden.

Der von der Bundesnetzagentur vorgestellte Verordnungsentwurf über die Mindestvorgaben für das Recht auf Versorgung mit Telekommunikationsdiensten (TKMV) soll die Internet-Grundversorgung regeln – das sogenannte "Recht auf schnelles Internet". Vorgesehen ist eine Mindestbandbreite von 10 Mbit/s im Download und 1,3 Mbit/s im Upload, den die Bundesregierung auf 1,7 Mbit/s anheben will. Die Latenzzeit soll nicht mehr als 150 Millisekunden betragen.

Die Reaktionszeit spielt zum Beispiel eine große Rolle im Online-Gaming und wird besonders mit Blick auf künftige Anwendungen wie Virtual Reality immer wichtiger. Bei vielen anderen Alltagsanwendungen seien höhere Latenzzeiten hingegen kein Hindernis, argumentieren die Verbände.

Die Verbände Anga, Bitkom, Breko, Buglas, Eco und VATM plädieren deshalb für eine "pragmatische Übergangslösung, die kurzfristig eine Versorgung mit den wichtigsten Internetdiensten sicherstellt". Schon in den vergangenen Monaten gab es Streit um die Ausnahmeregelungen. Die Verbände kritisieren unter anderem, dass angesichts knapper Baukapazitäten der Ausbau der Grundversorgung zulasten des Glasfaserausbaus gehe. Auch sei eine Kabellösung in einigen Fällen unwirtschaftlich. Die Latenz solle deshalb auf mindestens 350 Millisekunden festgelegt werden – genug also, um geostationäre Satelliten nicht auszuschließen.

Der Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) warnt vor einer Renaissance des Kupfernetzausbaus. Geschäftsführer Jürgen Grützner sieht in einem "De-facto-Ausschluss geostationärer Satelliten" eine unnötige Gefährdung der Pläne für einen schnellen Glasfaserausbau. Übergangsweise müssten alte Kupfernetze erweitert werden. Nicht der Satellit, sondern Internetzugänge, die gerade einmal den Rechtsanspruch auf ein paar Megabit erfüllen, müssten die absolute Ausnahme sein. "Wir wollen, wir können und wir müssen alles daransetzen, besser zu sein als nur ein paar Megabit."

Grützner argumentiert, dass es weltweit 3,2 Millionen Satelliten-Anschlüsse gibt. In Nordamerika, wo 2,1 Millionen Satelliten-Anschlüsse genutzt werden, hätten sich im Verlaufe der Coronapandemie Videokonferenzen via Geo-Satelliten verdoppelt und die VPN-Nutzung verzehnfacht. Länder wie die Schweiz und Frankreich lassen Satelliten zu. Damit sei die Praxistauglichkeit belegt.

Der Bundesverband Breitbandkommunikation (Breko) fordert eine Anhebung der maximalen Latenz auf 350ms, um Drahtlostechnologien wie Satelliten-, Mobil- und Richtfunk von vornherein einzubeziehen und Einzelfallprüfungen zu vermeiden.

Der IT-Branchenverband Bitkom sieht das Ziel, alle Haushalte deutschlandweit mit leistungsfähigem Internet zu versorgen, in die Ferne gerückt. "Bei entlegenen, einzelnen Haushalten kostet die Internetversorgung mit Glasfaser teils mehr als das Gebäude", sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. "Mit Satelliten-Internet können wir einfach und schnell Lücken schließen, wo eine Versorgung mit Festnetz oder Mobilfunk sehr langwierig und extrem teuer ist." Bitkom fordert Satelliten-Internet deshalb als reguläre Alternative, wenn ein Ausbau wirtschaftlich nicht vertretbar sei.

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Die höheren Latenzen führten in der Praxis kaum zu Einschränkungen, betont der Bitkom. Video- oder Musikstreaming, Videotelefonie und Videokonferenzen seien problemlos möglich. E-Mails, Cloud-Dienste, Onlineshopping und das Surfen im Web seien ohne Einschränkungen nutzbar. Organisationen wie die Bundeswehr nutzten die Technologie erfolgreich. "Wenn jetzt die Satellitenkommunikation willkürlich aus der Grundversorgung heraus definiert wird, erweist man der deutschen Gesellschaft einen Bärendienst", mahnt Berg. "Dies gefährdet die Pläne für einen möglichst schnellen Glasfaserausbau, weil die ohnehin knappen Baukapazitäten unnötig und vollkommen ineffizient für einzelne wenige, aber sehr aufwendig zu verlegende Anschlüsse gebunden werden."

(mki)