Genmanipulation für zu Hause

Das US-Start-up Odin verkauft günstige Kits, mit denen man zu Hause Bakterien gentechnisch verändern kann. Technology Review hat es testen lassen.

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Genmanipulation für zu Hause
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Jens Lubbadeh
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Fünf kleine Kunststoffbehälter, eine Schale mit Darmbakterien und drei Röhrchen mit neuem Gen-Material: Das ist das Herzstück des "DIY Bacterial Gene Engineering CRISPR Kit" der Firma Odin. Im Internet kann es sich jeder für 150 Dollar bestellen, berichtet Technology Review in seiner Mai-Ausgabe (am Kiosk oder online zu bestellen).

Das Magazin hat den Genbausatz an Rayk Behrendt liefern lassen, Molekularbiologe an der Immunologischen Abteilung der TU Dresden. Denn sonst hätten sich die Redakteure strafbar gemacht: Das deutsche Gentechnikgesetz verbietet Manipulationen an Organismen außerhalb der dafür vorgesehenen Einrichtungen. "Wer DIY-Kits bestellt und außerhalb gentechnischer Anlagen entsprechend anwendet, riskiert gemäß § 38 Absatz 1 Nummer 2 GenTG eine Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro", warnt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. "Falls im Rahmen der Nutzung der DIY-Kits gentechnisch veränderte Organismen freigesetzt werden, droht gemäß § 39 Absatz 2 Nummer 1 GenTG sogar eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe."

Odins Kit beruht auf einer Technologie namens Crispr/Cas9, die derzeit über die Gentechnik hinaus für nervöse Aufmerksamkeit sorgt. Denn mit ihr lässt sich Erbgut so einfach und billig verändern wie nie zuvor. Tatsächlich gibt es bereits eine rege Biohacker-Szene, die Gemüsesorten und Hunderassen manipulieren will. Letztes Jahr kratzte das US-Start-up Odin in einer Crowdfunding-Kampagne rund 70000 Dollar zusammen, um sein Selbstmach-Kit herzustellen.

Die neue Mai-Ausgabe

(Bild: 

Technology Review 5/17

)

Die neue Technology Review ist ab 24.4. im Handel erhältlich - die Highlights:

Rayk Behrendt ist vom Standard des Gen-Baukastens positiv überrascht. Von der Idee, es jedem nach Hause zu schicken, weniger. Denn Ziel des Baukastens ist, ein Gen in Bakterien einzusetzen, dass sie resistent gegen Antibiotikum Streptomycin macht. Bei den Bakterien handelt es sich zwar um das harmlose E- coli. Aber mit Hilfe des Kits "wäre es auch möglich", krank machende Keime gegen Antibiotika resistent zu machen, so Behrendt. "Die Stelle in der DNA, wo das Werkzeug schneiden soll, ist in vielen Bakterien gleich." So könnte man Tuberkulose-, Typhus- oder Cholera-Bakterien mit dem Kit unempfindlich gegen Streptomycin machen. Und übrigens nicht nur dagegen. Was Odin nicht offen schreibt, aber Behrendt aus den Spezifikationen der Plasmide herausliest: Die DNA-Ringe enthalten zwei weitere Resistenzgene – gegen Kanamycin und das Breitbandantibiotikum Chloramphenicol.

Und das, obwohl Resistenzen gegen wichtige Antibiotika weltweit zunehmen. Zayner verteidigt sich mit dem Argument, dass "Antibiobika-resistente Bakterien herzustellen gängige Praxis in der Gentechnik ist" – was stimmt. Professionelle Gentechniker nutzen das Resistenzgen häufig in Kombination mit weiteren eingeschleusten Genen, um erfolgreich veränderte Bakterien herauszufiltern. Zudem seien die Mengen an Antibiotika in den Kits vernachlässigbar, so Zayner.

Außer Acht lässt er jedoch, dass professionelle Labors streng darauf achten, keine genveränderten Bakterien in die Umwelt zu entlassen – private Genbastler es damit aber nicht immer so genau nehmen dürften. Schließlich kann es schon reichen, sie in den Ausguss zu schütten. Einmal in der Umwelt, können sich die Resistenzgene ausbreiten, weil Bakterien untereinander Erbgut austauschen.

Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass die Genveränderung doch nicht so einfach ist wie von Odin versprochen – zumindest in diesem Fall: Die Auswertung des Experiments in Behrendts Labor ergab, das die Erbgutmanipulation bei keinem Bakterium geglückt war.

Dennoch bleibt ein weiteres, vielleicht noch gravierenderes Problem. Es stellte sich erst nach dem Versuch heraus: Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat zwei der Odin-Kits untersucht und die Ergebnisse kurz nach dem Technology-Review-Experiment veröffentlicht. Beide enthielten mehrere krankheitserregende Bakterien, darunter Enterococcus faecalis und Klebsiella pneumoniae. Sie können Harn- und Wundinfektionen sowie Blutvergiftung hervorrufen. Der Klebsiella-Stamm war zudem multiresistent gegen die meisten Antibiotika.

Auf Nachfrage schrieb Odin-Gründer Josiah Zayner: "Um den Vorwürfen auf den Grund zu gehen, haben wir DNA-Sequenzierungen unserer Bakterien von einem unabhängigen Labor durchführen lassen. Sie haben eindeutig bestätigt, dass es sich bei den von uns versendeten Bakterien um E. coli handelt." Zayner vermutet, dass das LGL ungenaue Methoden verwendet und somit falsche Ergebnisse bekommen haben könnte. Auch schloss er eine Kontamination in der Herstellung des Bakteriennährmediums beim LGL nicht aus. Das LGL versicherte jedoch: "Eine wie auch immer geartete Kontamination kann aus fachlicher Sicht ausgeschlossen werden." (Jens Lubbadeh) / (bsc)