Formnext 2023: Neben Metall und Zahnmedizin auch futuristische Bekleidung

Auf der diesjährigen Messe Formnext gab’s Prosumer- und Industrie-Drucker in verschiedenen Größen und selten gesehene Materialien wie Silikon, Glas und Keramik.

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Formnext 2023: Halle 12.1

(Bild: c't/stri)

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Inhaltsverzeichnis

Besser, schneller, stärker, günstiger: So lautet das diesjährige Motto der Prosumer 3D-Druck-Branche auf der Formnext. Auf der Fachmesse in Frankfurt waren ab dem 7. November vier Tage lang auf vier Etagen zahlreiche namhafte Marken vertreten. Drei Viertel der Fläche hat allein der Industriezweig für additive Fertigung eingenommen. Unternehmen stellten unter anderem neue Geräte, Materialien, Software, Komponenten und Anwendungsbeispiele zur Schau. Es gab also viel zu sehen und anzufassen.

Bei den Besuchern kam der Stand von Prusa Research wohl am besten an, denn rings herum konnte man kaum noch den Gang durchqueren. Als einzige Reizüberflutung blinkte und leuchtete es an jeder Ecke, überall standen gedruckte Objekte als Beispiele und Materialproben. Ein automatisches 3D-Drucker-Farmsystem (AFS) war dieses Jahr auch wieder dabei – allerdings als Neuauflage. Besucher beobachten hauptsächlich Prusas XL-Drucker und den neuesten MK4 im Gehäuse. Dabei hat das Open-Source-Unternehmen auf der Messe gleich drei neue Geräte sowie fünf Filamente vorgestellt.

Geschwindigkeit und Qualität war im vergangenen Jahr das große Thema in der Community, vor allem in Verbindung mit den beliebten Bambu-Lab-Druckern. Diese haben Beschleunigungssensoren eingebaut, die vor jedem Druck Vibrationen im Gerät messen und durch sogenanntes "Input Shaping" ausgleichen. Prusas MK4-, Mini- und XL-Drucker hatten in den letzten Monaten eine neue Firmware erhalten, in der feste Werte für Input Shaping hinterlegt waren. Diese Werte wurden im Voraus gemessen, anstatt sie jedes Mal neu zu evaluieren, wie es Bambu Lab macht.

Wir haben Prusa nach Plänen für Input Shaping gefragt: Prusa hätte nicht vor, einen Sensor einzubauen. Die vorbereiteten Werte genügten ihren Qualitätsansprüchen. Der XL und der MK4 verfügen jedoch über einen Anschluss, mit dem ein Sensor hinzugefügt werden kann. Wenn Prusa Research glaube, dass es der Druckqualität zuträglich sei, könnte es also noch eine Möglichkeit zum Nachrüsten geben.

Prusa Research Messestand (6 Bilder)

Prusa präsentiert zwei HT90-Geräte und den neu angekündigten Resin-Drucker Pro SLX. (Bild: c't/stri​)

Die neu angekündigten Drucker laufen unter der separaten Marke Prusa Pro und sollen als Industriemaschinen ein neues Segment erschließen. Der Prusa Pro HT90 ist ein Delta-Drucker, an dem unter anderem Mitarbeiter von Trilab mitgearbeitet haben, einem Hersteller, der zu 80 Prozent Prusa gehört. Der HT90 hat eine beheizte Kammer für bis zu 90 Grad. Daher kommt auch der Name: HT für "High Temperature" und 90 für 90° C. Die Düsentemperatur druckt bis 500° C. Von Materialien, die weniger hohe Temperaturen benötigen, wie PETG- oder ABS, soll er in weniger als acht Stunden ein Kilogramm verarbeiten. Prusa möchte auch für die Pro-Geräte Druckprofile bereitstellen, um Onboarding neuer Mitarbeiter zu erleichtern. Eine Mitarbeiterin erzählte uns, dass die Auslieferung des Druckers für den kommenden Sommer geplant ist. In den nächsten zwei Wochen soll der Preis noch bekannt gegeben werden, er soll unter 10.000 Euro liegen.

3D-Druck

Der Sammelbegriff 3D-Druck steht heute für ein ganzes Bündel von Fertigungstechniken, die nach unterschiedlichen Prinzipien funktionieren und sich jeweils nur für ganz bestimmte Materialien eignen. Ihr gemeinsamer Nenner: Alle Verfahren bauen dreidimensionale Objekte, indem sie Material in dünnen Schichten auftragen und verfestigen.

Prusa Pro SLX heißt das Konzept für Prusas zukünftigen SLA-Drucker. Er soll ein 12K MONO LCD-Panel besitzen, um eine sehr feine Druckauflösung zu erreichen. Der dritte angekündigte Drucker, der Prusa Pro Medical One, wird ein verifizierter SLA-Drucker für biokompatible Kunststoffe. Er war auf der Formnext 2022 erstmals zu sehen. Seitdem sei er in der Produktion und in Exocad integriert worden, einer CAD-Software für digitale Zahnmedizin.

Das sogenannte Automatic Farm System war dieses Jahr auch wieder mit von der Partie, diesmal im Prototypen-Status. Das AFS hatte Regalsteckplätze eingebaut, in die die AFS Druckbleche einsortiert. Laut Prusas Blogbeitrag beachtet es die Höhe des gedruckten Objekts. Wenn man die Steckplätze durchzählt, fällt auf, dass jedes Objekt tatsächlich eine andere Höhe im Regal gesteckt bekommen hat. Die Druckbleche sind außerdem durch QR-Codes nachverfolgbar. Die Drucker sind nicht, wie man vielleicht vermuten würde, herkömmliche MK4, sondern speziell für das System entwickelte Geräte. Sie sollen aber nicht veröffentlicht werden.

Von den vier neuen Filamentfarben haben wir nur drei in Person gesehen, nämlich Algae, Corn und Risotto. Wie die drei anderen ist Wine auch bereits im Onlineshop erhältlich. Sie sind laut Prusa etwas brüchiger als frisches PLA und kosten etwa 35 Euro pro Kilo, also 5 Euro mehr. Wie der grüne Vorgänger wurden auch diese Farben aus recycelten PLA-Industrieabfällen hergestellt, vermengt mit organischen Abfällen als Pigment. Das Filament soll eine Fertigungstoleranz von ±0,03mm aufweisen.

Zur Verwendung mit dem HT90-Drucker entwickelt Prusa derzeit ein neues Filament, das Prusament PEI.

Ankermake selbst war nicht vertreten. Über einen Händler waren die neuen Geräte trotzdem vor Ort: Die Filamentbox für sechs Spulen aus einer Kickstarter-Kampagne und ein Drucker, der dem M5 ähnelt, aber sechs Nozzle in einem Druckkopf verbaut hat. Es ist als System mit den Boxen von Bambu Lab vergleichbar, besitzt allerdings eine andere Wechseltechnik. In Bambu Labs Boxen finden nur vier Rollen Platz. Außerdem sind die Systeme für ihre Abfallhäufchen bekannt. Ankermake erreicht durch die vielen Nozzles, dass das Material nicht ausgetauscht und abgetrennt werden muss, was weniger Müll verursacht. Wie gut das System allerdings funktioniert, können wir zu dem frühen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Die sogenannte V6 Color Engine wird seit Kurzem ausgeliefert. Auf Ankermakes Blog ist zu lesen, dass jede Filamentspule mit einem Heizmodul ausgestattet ist. Um mit einem M5 zu drucken, soll der Extruder des Geräts ausgetauscht werden. Geslicet werden soll mit dem Ankermake-Slicer.

Bambu Lab hatte bereits im Voraus den günstigen Drucker A1 Mini sowie den X1E für Profis vorgestellt.

Am Stand von Bambu Lab entsteht ein großes Modell eines FDM-Druckers.

(Bild: c't/stri)

Für Metall-3D-Druck gibt es viele verschiedene Verfahren. Das Unternehmen One Click Metal verwendet eins davon in ihrem Drucker: LPBF, was für "laser powder bed fusion" steht. Die Ausgründung von Trumpf zeigte auf der Messe den eigenen Drucker und ein Gerät zum Reinigen und Sieben des Metallpulvers. Bei dem gewählten Druckverfahren fährt ein Laser mit 200 W Laserleistung bepulverte Stellen ab und schmilzt das Material mit einer Schichthöhe von 20 bis 80 μm auf. Im Anschluss muss das überschüssige Pulver entfernt werden. One Click Metal positioniert sich im günstigeren Segment mit einem fünfstelligen Preis, um viele Kunden anzusprechen.

Ausstellungsstücke am Stand von One Click Metal (2 Bilder)

Größerer Druck mit Stützstrukturen
(Bild: c't/stri​)

Cromatic 3D Materials, ein Unternehmen aus den USA, präsentierte ein bedrucktes Kleidungsstück. Dafür hat Cromatic mit der niederländischen Designerin Anouk Wipprecht zusammengearbeitet. Aus der Kooperation entstand ein Kleid, das auf Annäherung an Sensoren am Kragen mit LED-Blinken reagiert.

Zum Bedrucken ist ChromaFlow 70 zur Anwendung gekommen, Cromatics Material mit einer Flexibilität von 70 A auf der Shore-Skala, das für Dichtungen und Einlagen geeignet ist. Es ist biegsam, dehnbar und hitzebeständig. Wipprecht hat so 75 flexible, 3D-gedruckte LED-Kuppeln ohne Klebstoff oder Nähte auf dem Stoff des Kleides befestigt. Durch die Art der Bindung, die das Polyurethanharz eingeht – eine Art 3D-Druck durch Abscheidung, bei der eine chemische Reaktion stattfindet – kann es sich mit fast jedem Stoff verbinden, zum Beispiel mit Baumwolle, Nylon oder Spandex.

An Chromatics Stand ist das Kleid aus der Kooperation mit der Designerin Anouk Wipprecht besonders auffällig: Es bringt LEDs durch Abstandssensoren zum blinken.

(Bild: Chromatic 3D Materials)

Stratasis stellt auch Druck auf Textil vor, allerdings ohne Elektronik-Anteil: Ihr J850 TechStyle PolyJet druckt auch viele Textilien mit ihrem semi-flexiblen VeroEco Lex-Material. Laut Stratasys ist es in 600.000 Farbtönen, matt und glänzend verfügbar.

Stratasis Textildrucke (2 Bilder)

Die Drucktechnik kann auf vielen verschiedenen Stoffen zum EInsatz kommen.
(Bild: c't/stri​)

Ungewöhnlich auf der Messe war 3D-Druck mit Glas der australischen Firma Maple Glass Printing. Von einer nahegelegenen Glaswerkstatt beziehen sie Glasabfall und drucken so mit recyceltem Material. Neben dem klassischen durchsichtigen Glas mischen sie auch Farbe bei, um bunte Objekte zu erhalten. Maple Glass Printing arbeitet unter anderem mit Künstlern und Architekten zusammen. Hauptsächlich verkaufen sie allerdings die eigenen Drucker. Als Slicer verwenden sie unter anderem den Prusa Slicer.

Messestand Maple Glass Printing (2 Bilder)

Maple Glass Printing zeigt unterschiedlich große und unterschiedlich feine Drucke.
(Bild: c't/stri​)

Mit dem Plugin für die Zeichen-Software Rhino können Nutzer Strukturen erzeugen, sogenannte minimale Oberflächen mit adaptiver Dichte, oder auch Hohlräume in Objekten. So wird weniger Material eingebracht, mit dem Ziel einer effizienten Spannungsverteilung. Die Faktoren rings herum können Nutzer kontrollieren und so verschiedene Dichte, Wandstärke, Oberflächenneigung und Verläufe einstellen. Gerechnet wird in der Cloud. Die Technik richtet sich an Designer von orthopädischen Schuhen bis hin zur Luft- und Raumfahrttechnik. Wer damit experimentieren möchte, hat jetzt eine gute Gelegenheit dazu: Spherene hat vor Kurzem eine öffentliche Beta herausgebracht, sie ist aktuell noch kostenlos.

Beispiele für Strukturen, die mit dem Rhino-Plugin Spherene entstanden sind.

(Bild: c't/stri)

Metafold hat ein ähnliches Angebot: Hier rechnen auch fremde Computer in der Cloud. Die verschiedenen Muster und Zahlen kann man einfach auf einem Tablet eintippen. Die kostenlosen Versuche sind allerdings stark limitiert.

Mit Metafold kann man Einstellungen am Objekt im Browser machen. Sie zeigen Schuhsohlen als Anwendungsbeispiel.

(Bild: c't/stri)

KI hat eine überraschend kleine Rolle gespielt. Fehrmann MaterialsX zumindest bezieht sich mit ihrem MatGPT namentlich deutlich auf OpenAIs ChatGPT. MatGPT soll die Suche nach einer passenden Metalllegierung beschleunigen. Die Informationen aus ChatGPT seien nicht genug, sagte der Hersteller. Darum habe er ein eigenes KI-Modell mit eigenen Trainingsdaten gefüttert. Zuerst hat er sich auf Aluminiumlegierungen fokussiert.

Das System soll das zeitaufwendige Lesen wissenschaftlicher Literatur erübrigen. So könne man die Arbeit von Monaten auf Wochen verkürzen. MatGPT ist aktuell noch nicht für andere Unternehmen verfügbar, nächstes Jahr soll die KI Kunden bereitgestellt werden.

Fehrmann MaterialsX zeigt, wie die Bedienoberfläche von MatGPT zum Zeitpunkt der Messe aussieht.

(Bild: c't/stri)

In den vergangenen Jahren ist die Frankfurter Fachmesse für additive Fertigung stark gewachsen und bespielt nun mehr Hallen und Etagen. Der Zeitraum für die kommende Formnext steht bereits: vom 19. bis zum 22. November 2024 soll sie wieder ihre Türen öffnen.

(stri)