Fair Trade für die Grüne Informationstechnik

Bei GreenIT müsse es neben Energieeffizienz und Klimaschutz auch um Materialverbrauch und Ressourcenschonung gehen. Zudem müssten schlanke Anwendungen und ressourcenschonende Betriebssysteme Thema werden, hieß es auf einer Tagung der Bundestags-Grünen.

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Von
  • Richard Sietmann

Den Möglichkeiten der Politik zur Förderung der Green-IT widmete sich am gestrigen Montag ein Fachgespräch der Grünen-Fraktion im Deutschen Bundestag. Gleich zu Beginn der Expertenrunde, zu der die Abgeordneten Grietje Staffelt, Ute Koczy und Sylvia Kotting-Uhl geladen hatten, weitete Abteilungsleiter Michael Angrick vom Umweltbundesamt das Thema aus. Er wies darauf hin, dass die bisher überwiegend auf Energie-Effizienz und Klimaschutz fokussierte Diskussion nur die eine Dimension von "Green-IT" widerspiegele, der man als zweite Materialverbrauch und Ressourcenschonung gleichrangig zur Seite stellen sollte. Die Vielfalt der in den Chips, Displays und Leiterplatten eingesetzten Stoffe umfasse mehr als die Hälfte des Periodensystems der Elemente. "Darunter befinden sich auch sehr seltene Stoffe, mit denen man sehr sorgfältig umgehen sollte – wir tun das aber nicht". Als Beispiel nannte er das in vielen Lasern eingesetzte Indium, eine Ressource, für die es – obwohl knapp – keine Rückgewinnung aus den optoelektronischen Bauelementen gebe.

Als "sehr schwach ausgeprägt" bezeichnete Siegfried Behrendt vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) den Wettbewerb um Energie- und Materialeffizienz, "die Hersteller alleine werden es sicherlich nicht richten". Deshalb sei Ordnungspolitik gefragt. Umweltstandards wären wichtig, aber gegenüber der schnelllebigen Elektronikindustrie viel zu langsam. Er erinnerte an das wieder ein wenig in Vergessenheit geratene 'Top Runner'-Modell, wonach sich die Regulierung an den besten marktverfügbaren Geräten orientiere und deren Verbrauchsdaten dann nach zwei oder drei Jahren für alle verbindlich mache. "Auf diese Weise entsteht eine ganz andere Dynamik", ist Behrendt überzeugt.

Öko-Labels wie der Energy Star, Blauer Engel, 80+, TCO oder die europäische Blume böten den Verbrauchern keine wirkliche Orientierung. "Beim Endkunden spielt der Blaue Engel kaum eine Rolle", meinte Behrendt beispielsweise, eher noch bei den Beschaffungsstellen in Firmen und Verwaltungen. Michael Angrick plädierte dafür, das ganze System der Öko-Labels "wesentlich stärker zu dynamisieren", vor allem müsste die Ökozertifizierung verpflichtend und nicht nur freiwillig sein. "Wir müssen eine vernünftige Produktkennzeichnung hinbekommen", erklärte der UBA-Mann. Die Politik sollte auf eine Kooperation der hinter den Labels stehenden Organisationen drängen, um die Informationsflut für den Verbraucher zu reduzieren.

Man sei zur Zusammenarbeit bereit und würde auch gern mit dem UBA beim Blauen Engel kooperieren, betonte Sabine Heegner von der TCO Development Germany in München. Das ursprünglich nach ergonomischen Kriterien für Monitore vergebene Zertifikat der Tjänstemännens Centralorganisation (TCO), dem Dachverband der schwedischen Angestellen- und Beamtengewerkschaft, entwickele sich ständig weiter und werde künftig auch Stromverbrauchs- und Lebenszyklus-Eigenschaften sowie kritische Inhaltsstoffe der Produkte berücksichtigen. "Wir entwickeln unsere Siegel nach dem 'Top Runner'-Modell", fügte sie hinzu.

In der Diskussion wurden auch Stimmen laut, die Software-Entwickler stärker in die Verantwortung zu nehmen, um endlich die Software/Hardware-Spirale zu durchbrechen, bei der die Featuritis neuer Software-Versionen die Endkunden immer wieder zur Anschaffung aufwendigerer Hardware-Plattformen zwänge, die sie zumeist gar nicht benötigen. Wie das geschehen könnte, blieb allerdings unklar – ein neues Öko-Label etwa für schlanke Anwendungssoftware oder ressourcenarme Betriebssysteme wurde nicht gefordert. Aber "die Software ist ein Thema, um das wir uns bisher zu wenig gekümmert haben", gab Siegfried Behrendt zu.

Weitergehende Forderungen gehen über reine Produktzertifikate hinaus und zielen auf die Transparenz der Zulieferketten und eine Offenlegungspflicht der Inhaltsstoffe schon bei Vorprodukten – "wie bei den Lebensmitteln", wie ein Teilnehmer meinte. Nach den Prinzipien des Fair Trade kann durch zertifizierte Handelsketten die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards in den Erzeugerländern gefördert werden. Als Folge einer Initiative des G8-Gipfels in Heiligendamm vom Juni 2007 führt die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) derzeit ein Pilotprojekt zur Zertifizierung von Rohstoffbetrieben in Ruanda durch, einem der Hauptlieferanten des für die Mikroelektronik benötigten Tantalerz (Coltan) und wo derzeit rund 100.000 Menschen im Kleinbergbau tätig sind.

Der Ansatz im Projekt besteht darin, mit mineralogisch-chemischen Methoden die Herkunft aus einzelnen Liefergebieten nachweisbar zu machen und so den wilden Abbau einzudämmen, erläuterte Projektleiterin Gudrun Franken in dem Fachgespräch. "Die Zertifizierung kann nur unterstützend wirken", schränkte sie allerdings ein; langfristig müssten die Lieferländer Zentralafrikas "eine funktionierende Bergaufsicht" etablieren. Wie weit dieser Ansatz trägt, muss sich noch erweisen. Wirksamer sind möglicherweise Kampagnen wie makeITfair, die sich an die Unternehmen selbst wenden und an ihrer empfindlichsten Stelle – ihrem Ruf als Markenhersteller – treffen.

Die Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung (WEED) hat kürzlich den Leitfaden Buy IT fair zur sozial-ökologischen Beschaffung von Computern herausgegeben. "Inzwischen gibt es mehr Unternehmen, die ihre Verantwortung anerkennen", berichtete Cornelia Heydenreich von Germanwatch und Mitgründerin der Initiative Coporate Accountability (CorA), "aber es muss noch viel passieren". Vor allem käme es darauf an, dass nicht nur Code-of-Conducts generiert würden, sondern "dass sich vor Ort wirklich etwas ändert". (Richard Sietmann) / (jk)