Eröffnung des LNG-Terminals Wilhelmshaven: Mehr Festung als Festgelände

Mit einem großen Sicherheitsaufgebot wird am Samstag das LNG-Terminal in Wilhelmshaven in Betrieb genommen. Bundeskanzler Scholz zählt zu den Eröffnungsgästen.

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Das Regasifizierungsschiff Höegh Esperanza bei seiner Ankunft in Wilhelmshaven am Donnerstag. Die Polizei begleitete die FSRU mit diversen Booten.

(Bild: Uniper)

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Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen wird am Samstag das erste LNG-Terminal Deutschlands mit Politprominenz feierlich in Betrieb genommen. Mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist die gesamte Ampel-Regierungskoalition vertreten. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ist ebenfalls unter den Festgästen. Das Herzstück des Terminals, das Regasifizierungsschiff Höegh Esperanza, traf indessen bereits am Donnerstag am neu geschaffenen Anlegepunkt an.

Dort, wo laut Betreiber Uniper jährlich künftig rund sechs Prozent des deutschen Gasbedarfs per Schiff angelandet werden kann, ist in dieser Woche eine Art Festung entstanden. Die Polizei hat ihre Kräfte, die seit Monaten ohnehin schon mit eigenen Containern und sogar einem hohen Sendemast ständig vor Ort sind, stark aufgestockt. Schon das Eintreffen der 294 Meter langen FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) wurde mit einem Großaufgebot an Schiffen der Wasserschutzpolizei, einem Polizeihubschrauber, Spezialkräften in Schlauchbooten und Polizisten an Land begleitet. Seit Tagen ist die am Terminal vorbeiführende Straße am Deich gesperrt.

Mögliche Gründe, um die Sicherheit des neuen Terminals zu fürchten, gibt es einige. Mit Blick auf den Festakt sind es vor allem erwartete Proteste von Umwelt- und Klimaschützern. Erstgenannte kritisieren die Einleitung von Chlor in das Meer, das in der FSRU dazu verwendet wird, die Leitungen freizuhalten, durch die Seewasser gespült wird, um das tiefkalte flüssige Gas wieder gasförmig zu machen. Klimaschützer kritisieren, dass damit die Nutzung fossiler Brennstoffe verlängert werde. Vertragslaufzeiten für die FSRU und die Pläne für ein Landterminal lassen sie befürchten, dass noch jahrzehntelang auf Erdgas gesetzt wird.

Als die Bauarbeiten im Sommer gerade erst begonnen hatten, wurden Baufirmen und Polizei von einer spontanen Besetzungsaktion überrumpelt. Obwohl sich die Sicherheitsbehörden entspannt gaben, starteten sie danach ihre Dauerpräsenz und spannten Stacheldraht auf. Ein anderer Grund für die Gefahreneinschätzung dürften die Vorkommnisse rund um die Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 sein. Wilhelmshavens LNG-Terminal und seine Zuleitung könnte ebenfalls ein attraktives Ziel für jene bis heute unbekannten Saboteure sein, die Ende September die Gasleitungen zwischen Russland und Deutschland unter Wasser sprengten. Nicht zuletzt ist das LNG-Terminal gerade dafür gebaut worden, von russischen Erdgaslieferungen unabhängiger zu werden. Es ersetzt rund elf Prozent der bisherigen Gasimporte Deutschlands aus Russland. Damit dürfte es in Russland als Affront angesehen werden.

Die schwierigen Rahmenbedingungen dürften freilich bei dem geplanten Festakt für einen Moment in den Hintergrund geraten. Schon im Vorfeld zeigten sich Politiker wie Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) begeistert davon, dass in weniger als einem Jahr quasi aus dem Nichts heraus ein komplettes, wenn auch erst mal nur schwimmendes Terminal samt 26 Kilometer langer Zuleitung ins Gasfernnetz errichtet werden konnte. Möglich wurde dies durch das LNG-Beschleunigungsgesetz, das Umweltprüfungen und weitere Schritte in der Planung deutlich verkürzte oder gar aussetzte – sehr zum Leidwesen der Umweltverbände und anderer Kritiker, die ihrem Frust über fehlende Beteiligungsrechte auf Versammlungen lautstark Luft machten. Hinzu kommt, dass die FSRU vom Staat gechartert wurde, also die privaten Betreiber – im Falle dieses Terminals ist Uniper aufgrund Staatshilfen selbst das nicht mehr – nur für den Betrieb verantwortlich zeichnen.

Im Falle des Wilhelmshavener Terminals fingen die Bauherren allerdings auch nur scheinbar bei Null an. Schon seit Jahrzehnten gab es mal mehr, mal weniger konkrete Pläne, die einst für Chemietanker in den 1970ern gebaute Seebrücke für ein Flüssigerdgasterminal zu nutzen. Mit dem Grundstück hinter dem Deich, von wo aus die Rohre in Richtung Ostfriesland zum Gas-Kavernenspeicher und dem Fernnetz abgehen, und freigehaltenen Korridoren für die Leitungen waren wichtige Voraussetzungen gegeben, um schnell bauen zu können. Dennoch war vor dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine Anfang des Jahres von bis zu fünf Jahren Realisierungszeit ausgegangen worden. Jetzt war es am Ende etwas mehr als ein halbes Jahr Bauzeit, inklusive Planung waren es nur 10 Monate. Wie sehr alles Hand in Hand ging, zeigt allein, dass erst am Vortag der Inbetriebnahme die nötigen wasser- und emmissionsschutzrechtlichen Genehmigungen erteilt wurden. Später soll noch ein Landterminal gebaut werden.

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Bis der erste LNG-Tanker an der Seite der FSRU festmacht und seine mit -162 Grad Celsius tiefkalte Fracht entlädt, wird es allerdings bis Mitte Januar dauern. Das erste Flüssigerdgas, insgesamt 165.000 Kubikmeter, von dem auch vor dem Hintergrund im Moment gerade stark schwindender Gas-Speichervorräte eine wichtige symbolische Bedeutung ausgeht, hat die FSRU in ihren Zwischentanks selbst mitgebracht. Laut Betreiber Uniper wurde es vorher in Spanien geladen. Die Menge genüge, um 50.000 bis 80.000 deutsche Haushalte ein Jahr lang zu versorgen. Danach sollen bis zu 70 Tanker pro Jahr folgen. Der limitierende Faktor wird hierbei weniger die Kapazität des Terminals sein, zu dem sich bis Ende 2024 deutschlandweit noch weitere gesellen. Der Flaschenhals wird stattdessen die Frage sein, welche Länder das Gas liefern und angesichts der überschaubaren Zahl der Schiffe auch, womit.

(mki)