Datenschützer gegen Einschränkung des Datenschutzes an Schulen

Baden-Württembergs Innenminister hatte gefordert, aus dem Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt Konsequenzen für die Informationspflicht von Schulen zu ziehen.

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  • dpa

Baden-Württembergs oberster Datenschützer Werner Schneider ist gegen eine Einschränkung des Datenschutzes an Schulen als Konsequenz aus dem Erfurter Amoklauf. "Ich sehe keine Notwendigkeit, dass der Gesetzgeber eingreift. Erfurt war ein extremer Ausnahmefall", sagte der Landesbeauftragte für den Datenschutz in einem dpa-Gespräch. Vom Schulverweis des 19 Jahre alten Erfurter Amokläufer waren dessen Eltern nicht informiert worden, da er bereits volljährig war. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Schäuble (CDU) hatte gefordert, aus dem Fall Konsequenzen für die Informationspflicht von Schulen zu ziehen.

"Meines Erachtens ist es nicht möglich, bei volljährigen Schülern eine Information der Eltern seitens der Schule vorzuschreiben. Jedenfalls halte ich es nicht für gerechtfertigt", betonte Schneider. Schüler hätten mit Vollendung des 18. Lebensjahres wie jeder Erwachsene uneingeschränkten Anspruch auf Schutz personenbezogener Daten. Eine Preisgabe und Verwendung der Daten sei nur zulässig, wenn es eine entsprechende Rechtsvorschrift oder die Einwilligung des Betroffenen gebe. "Letztlich geht es um die Frage: Soll über den Kopf der Schüler hinweg deren Grundrecht auf Datenschutz eingeschränkt werden?"

Wolle man dies tun, bedürfe es einer neuen gesetzlichen Regelung, die bestimmt, in welchem Umfang, zu welchem Zweck und unter welchen Voraussetzungen sich die Schule über den Willen eines Schülers hinwegsetzen könne, betonte Schneider. Er sei jedoch skeptisch, ob der Amoklauf in einem Erfurter Gymnasium vor vier Wochen, bei dem 17 Menschen starben, neue Datenschutzbestimmungen rechtfertige: "Der Staat sollte sich meines Erachtens aus dem Verhältnis Eltern zu erwachsenem Kind heraushalten. Es ist deren Sache zu entscheiden, wie sie den Informationsaustausch in dieser Beziehung gestalten."

Der Landesbeauftragte, der seit März 1997 im Amt ist, wehrte sich gegen vereinzelt nach Erfurt laut gewordene Vorwürfe, der Datenschutz an Schulen sei zu weit gehend. "Es geht hier nicht darum, ob der Datenschutz zu weit geht, sondern um die Frage: Muss das Selbstbestimmungsrecht des Schülers respektiert werden oder nicht, wenn er volljährig ist? Ich meine, wenn ein Schüler für sich die Entscheidung trifft, seine Eltern nicht zu informieren, dann ist das seine Sache", betonte Schneider. "Wenn man meint, das Selbstbestimmungsrecht sei mit 18 Jahren noch nicht so schützenswert, dann sollte man die Volljährigkeitsgrenze nach oben setzen", sagte Schneider zu der im Licht der Erfurter Ereignisse geführten Debatte um die Heraufsetzung des Volljährigkeitsalters von 18 auf 21 Jahre. Schneider erläuterte, ein Passus im baden-württembergischen Datenschutzgesetz, nach dem sich die Datenverarbeitung der Südwest-Schulen überwiegend richte, erlaube Schulen in Extremfällen bereits jetzt eine Information der Eltern volljähriger Schüler ohne deren Einverständnis -- etwa wenn ein Schüler selbstmordgefährdet ist. (dpa) / (jk)