Das Universum als zellulärer Automat

Stephen Wolframs heute erscheinendes Buch "A New Kind of Science" könnte ähnlichen Kultstatus erlangen wie "Schönheit der Fraktale" und "Gödel, Escher, Bach".

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Von
  • Dr. Jörn Loviscach

Als Schöpfer der Computeralgebra-Software Mathematica berühmt geworden, pflegt Stephen Wolfram seit 20 Jahren noch eine zweite Leidenschaft: zelluläre Automaten, bekannt etwa von Conways "Game of Life", bei dem Pixelfiguren nach einfachen Regeln gedeihen, miteinander wechselwirken und vergehen. Seine Resultate, darunter viele bislang unpublizierte, fasst Wolfram im knapp 1200 Seiten starken Opus A New Kind of Science zusammen.

Vom Aktienmarkt bis zum Universium findet er unzählige Anwendungen für solche Modelle, reichhaltig illustriert und als Mathematica-Quelltexte herunterzuladen. Chaosforscher und Piologen, Gödel-Fans und Quantentheoretiker kommen bei der Lektüre auf ihre Kosten.

Mathematik und Physik sind nur dafür geschaffen, einfache Phänomene zu erklären, legt Wolfram dar. Aber schon simple Systeme zeigen äußerst komplexes Verhalten -- so begründet er den etwas marktschreierischen Titel des Buchs. Das klassische Beispiel dafür ist ein zellulärer Automat, der eine unendlich ausgedehnte Linie von schwarzweißen Pixeln mit acht simplen Ersetzungsregeln bearbeitet ("Regel 30"), und so aus einem anfänglichen einzelnen Punkt augenscheinlich zufällige Dreiecksmuster erzeugt.

Wolfram zeigt in groben Zügen, dass schon ein bestimmter, damit verwandeter zellulärer Automat ("Regel 110") eine Turing-Maschine und damit jeden digitalen Computer nachbilden kann. Damit begründet er sein "Principle of Computational Equivalence": Jedes System, das nicht offensichtlich einfach ist, besitzt bereits die Komplexität eines Computers. Weitere Abstufungen höherer und niedrigerer Komplexität gibt es nicht.

Eine Tasse Kaffee kann demnach die gleichen Rechenoperationen ausführen wie ein Supercomputer -- oder wie das menschliche Gehirn. Wolfram lässt aber offen, wie man diese Möglichkeit praktisch nutzt. (Dr. Jörn Loviscach) / (wst)