CFP: Einblicke in die kafkaeske Überwachungsgesellschaft

Bürgerrechtler sehen mit den "Information Fusion Centers" der Sicherheitsbehörden in den USA den Albtraum wahr werden, dass "Beweise" für das Begehen von Verbrechen rund um Verdachtsmomente konstruiert werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 84 Kommentare lesen
Lesezeit: 6 Min.

Bürgerrechtler sehen mit den "Information Fusion Centers" der Sicherheitsbehörden in den USA den kafkaesken Albtraum wahr werden, dass "Beweise" für das Begehen von Verbrechen rund um geringfügige Verdachtsmomente konstruiert werden. Strafverfolger würden mit Hilfe der zentralen Datenbankeinrichtungen Indizien für ein Vergehen schon bei einer leisen Ahnung in Kooperation etwa mit Banken, Vermietern oder Internetprovidern zusammentragen, erläuterte Mike German, Justiziar bei der American Civil Liberties Union (ACLU), die Funktionsweise des von der US-Regierung vorangetriebenen Sicherheitsprojekts auf der Konferenz "Computers, Freedom, and Privacy 2008" (CFP) in New Haven.

Das US-Department of Homeland Security (DHS) hat 2004 im Rahmen des Kampfs gegen den Terror angefangen, Zentren für die Sammlung umfangreicher Dossiers über Bürger einzulegen. Inzwischen gibt es nach Angaben der Behörde 58 solcher Datensammelstätten, die erst seit kurzem im Blickpunkt einer breiteren Öffentlichkeit stehen. Ziel der computergestützten Verschmelzungsanlagen ist nicht nur die Intensivierung des Informationsaustauschs zwischen lokalen, staatlichen und bundesstaatlichen Behörden aller Art sowie auch dem Militär. Vielmehr geht es auch um die Verknüpfung der dort angehäuften personenbezogenen Daten mit den Informationshalden privater Auskunfteien sowie anderer kommerzieller Datenjäger.

Das Programm erfasse Hotel- oder Tankstellenbetreiber genauso wie sämtliche Einrichtungen vom Kindergarten über Schulen und Krankenhäusern bis hin zu sozialen Institutionen, führte Lillie Coney von der Leitungsebene des Electronic Privacy Information Center (EPIC) auf der CFP aus. Ausgenommen seien allein Bibliotheken und Abtreibungskliniken. "Polizisten werden trainiert, Verdächtige in Hotels herauszufinden", beschrieb die Aktivistin einen konkreten Anwendungsbereich der Zentren. Generell werde damit die ganze Gesellschaft auf Spionage getrimmt.

Das ambitionierte Vorhaben der Bush-Regierung "geht weit über die Prävention von Straftaten hinaus", ergänzte German. Das Department of Homeland Security (DHS) führe sämtliche 800.000 Ermittler der USA als "Augen und Ohren" des darüber hinaus die Wirtschaft einschließenden Schnüffelprogramms. Auflage bei der Polizei in Los Angeles sei es etwa, jede verdächtige Aktivität "krimineller und nicht-krimineller Art" zu melden. In einem entsprechenden Verzeichnis sei dabei etwa das Malen von Grafiken oder das Aufzeichnen von Kommentaren aufgeführt, berichtet der frühere FBI-Agent. Selbst die Aufnahme von Fotos "ohne ästhetischen Wert" werde dazu gezählt, sodass den Vorurteilen der Fahnder keine Grenzen gesetzt würden.

Aufgebaut werde so ein grundlegender Verdachtslevel, monierte der ACLU-Vertreter weiter, der sich etwa schon auf einen Wohnort in einer Gegend mit einer überdurchschnittlich hohen Kriminalitätsrate beziehe. "Wenn Sie in einer solchen Ecke leben, können Sie vielleicht noch ein Flugzeug besteigen, aber nicht in ein Gebäude einer Bundesbehörde gehen", veranschaulichte German die potenziellen Folgen. Besonders prekär dabei sei, dass keine Möglichkeit bestünde, Falschinformationen zu korrigieren oder sich aus dem Fahndungsnetz zu befreien. Aufgrund der Verzahnung von Aktivitäten auf Bundes- und Länderebene müsse sich auf Staatsseite niemand wirklich verantwortlich fühlen. Bei dem groß angelegten Datenhorten handle es sich aber nicht nur um einen frontalen Angriff auf die Privatsphäre. Vielmehr werde wie etwa bei der Videoüberwachung durch eine falsche Ressourcenbindung auch die echte investigative Kriminalarbeit unterlaufen.

Die Politik der Geheimhaltung und der Unzurechenbarkeit des Programms beschrieb John Verdi, Leiter des Open Government Project beim EPIC, am Beispiel des Fusion Center in Virginia. Bei dessen Einrichtung sei zunächst "keinerlei zivilgesellschaftliche Kontrolle vorgesehen" gewesen, sodass beinahe ein "schwarzes Loch für Informationen" entstanden wäre. Bewusst sollte die Einrichtung einerseits Möglichkeiten zur Abfrage und Korrektur von Informationen über sie selbst gemäß dem Privacy Act sowie andererseits zur allgemeinen Akteneinsicht auf Basis des Freedom of Information Act (FOIA) ausschließen. EPIC habe aber noch vor Inkrafttreten des entsprechenden Gesetzes von der Landespolizei einen FOIA-Antrag auf die Herausgabe der gesamten Kommunikation mit der US-Bundesregierung über die Finanzierung und Entwicklung der Behörde gestellt und ihn gerichtlich durchgesetzt.

Herauskam auf diesem Weg laut Verdi, dass die Virginia State Police alle Anfragen zur Informationsherausgabe durch Bürger ans FBI weiterleiten sollte. Dadurch wäre allein das Bundesrecht mit seinen weiteren Ausnahmeklauseln als im Landesrecht zum Tragen gekommen. "Da wird geheimes Recht geschaffen zwischen Bundes- und Landesbehörden, mit denen Grundrechte ausgehebelt werden", zeigte sich der Bürgerrechtler sehr besorgt über die Entwicklung. "Wir werden daher versuchen herauszufinden, welche Fusion Center unter welchen Verträgen mit Polizeibehörden wie zusammenarbeiten." (Stefan Krempl)

Siehe dazu auch:

  • Website zur 18. Konferenz Computers, Freedom, and Privacy

Zur CFP 2007:

Zur CFP 2006:

Zur CFP 2005:

(Stefan Krempl) / (jk)