Blue Origin: Weltraumschlepper der nächsten Generation angekündigt

Die an private und staatliche Kunden gerichtete neue Raumfahrzeugplattform Blue Ring wartet mit "beispielloser Manövrierfähigkeit und Missionsflexibilität" auf.

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Blue Ring von Blue Origin im Weltraum über der Erde

Blue Ring Renderbild

(Bild: Blue Origin)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andreas Knobloch
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Das US-Raumfahrtunternehmen Blue Origin hat Pläne für eine neue Raumfahrzeugplattform vorgestellt, die das Zeug hat, die Logistik im Weltraum auf eine neue Stufe zu heben. Das Blue Ring getaufte Projekt konzentriert sich laut Pressemitteilung des Unternehmens auf die Bereitstellung von Logistik und Lieferungen im Weltraum. "Blue Ring dient kommerziellen und staatlichen Kunden und kann eine Vielzahl von Missionen in der mittleren Erdumlaufbahn bis hin zur cislunaren Region [zwischen Erde und Mond, Anm.] und darüber hinaus unterstützen", heißt es in der am Montag verbreiteten Erklärung.

Die Plattform biete "End-to-End-Dienste, die Hosting, Transport, Betankung, Datenrelais und Logistik", einschließlich einer "In-Space"-Cloud-Computing-Funktion, so das von dem Amazon-Gründer und Multimilliardär Jeff Bezos gegründete Raumfahrtunternehmen weiter. Der Schlepper soll in der Lage sein, Nutzlasten von mehr als drei Tonnen aufzunehmen und bietet laut Blue Origin beispiellose Delta-v-Fähigkeiten und Missionsflexibilität. Delta v bezeichnet die Vektor-Geschwindigkeit und ist in der Raumfahrt ein Maß für die Fähigkeit eines Raumfahrzeugs, Manöver auszuführen. Die Raumfahrzeugplattform Blue Ring ist Teil einer neu gegründeten Geschäftseinheit von Blue Origin mit dem Namen In-Space Systems.

"Blue Ring adressiert zwei der schwierigsten Herausforderungen in der heutigen Raumfahrt: die wachsende Weltrauminfrastruktur und die zunehmende Mobilität im Orbit", sagte Paul Ebertz, Senior-Vizepräsident der neuen Sparte, in der Pressemitteilung. "Wir ermöglichen unseren Kunden, kostengünstig auf eine Vielzahl von Umlaufbahnen zuzugreifen und zu manövrieren, während sie gleichzeitig Zugang zu wichtigen Daten haben, um eine erfolgreiche Mission zu gewährleisten."

Blue Ring "wird alle anderen orbitalen Transferfahrzeuge, Schlepper und Antriebs-ESPA-Konzepte, die es gibt, in den Schatten stellen", erklärte Lars Hoffman, Vizepräsident für Regierungsgeschäfte bei Blue Origin, in einem Interview mit Aerospace Daily, aus dem das Fachmagazin Aviation Week zitiert. ESPA ist ein Akronym für Weiterentwickelte Trägerrakete (Evolved Expendable Launch Vehicle, EELV) Sekundäre Nutzlastadapter.

Es handele sich bei Blue Ring um eine Plattform, die bei jedem Start für mehrere Missionen und mehrere Kunden vielseitig einsetzbar ist, so Hoffman weiter. Im Gegensatz zu vielen aktuellen Plattformen soll Blue Ring in der Lage sein, seine Nutzlasten in unkonventionelle Arbeitsumlaufbahnen zu bringen. Normalerweise treiben sich die Satelliten selbst an oder werden direkt in bestimmte Umlaufbahnen gebracht.

"Gegenwärtig ist der kommerzielle Markt noch sehr stark darauf ausgerichtet, Nutzlasten und Satelliten in vorhersehbare Umlaufbahnen zu bringen", so Hoffman. "Einige der neuen Märkte wollen dynamischer sein. Das ist eines der Dinge, auf die Blue Ring wirklich eingestellt ist – es kann viele verschiedene Dinge tun".

Die Blue Ring-Plattformen werden durch ein hybrides chemisches und solarelektrisches Antriebssystem angetrieben, das von Blue Origin entwickelt wird. "Es nutzt das Beste aus beiden Systemen", sagte Hoffman. "Man hat die Energie des chemischen Antriebs, um schneller von Punkt A nach Punkt B zu kommen, und man hat den elektrischen Antrieb, um die Station zu halten oder um Energie zu sparen, wenn man von einer Umlaufbahn in eine andere wechseln will." Einzelheiten zu den Triebwerken wollte Hoffman nicht preisgeben.

Die Plattform ist ist demnach auf eine Betriebsdauer von fünf Jahren ausgelegt, kann in der Umlaufbahn aufgetankt werden und ist auch in der Lage, andere Raumfahrzeuge zu betanken. Blue Origin übernimmt alle Entwicklungskosten und bietet Blue Ring als voll ausgereiften Dienst an. "Wir haben Kunden, die bereit sind, mit Blue Ring zu starten", erklärte Hoffman.

Trotz seiner Größe wird das System laut Hoffman in die Verkleidung konventioneller Raketen wie der Falcon 9 oder Falcon Heavy von SpaceX und eventuell der New Glenn von Blue Origin passen. Die ersten Blue-Ring-Starts sind demnach für 2024 oder 2025 angepeilt. "Ich denke, dass der erste Start von Blue Ring realistischerweise 2025 sein wird", so Hoffman. "Wir werden es dem Markt überlassen, wie schnell er wächst."

Blue Ring und die neue Geschäftseinheit In-Space Systems erweitern den wachsenden Katalog von Blue Origin. Das Unternehmen bietet mit seiner New Shepard-Rakete Weltraumtourismus an und ist dabei, seine Schwerlastträgerrakete New Glenn zu entwickeln. Der erste Start der New-Glenn-Rakete war ursprünglich im Jahr 2021 geplant; heute aber scheint unwahrscheinlich, dass dies vor 2025 geschieht.

Blue Origin hat außerdem einen Milliardenvertrag mit der NASA über die Entwicklung eines Raumfahrzeugs für die geplanten bemannten Mondlandungen der US-Raumfahrtbehörde abgeschlossen. Im Mai 2019 hatte Jeff Bezos das Konzept für die Mondlandefähre Blue Moon vorgestellt. Geplant ist, dass Blue Moon in der Mondumgebung bleibt und in regelmäßigen Abständen von einem vom Kooperationspartner Lockheed Martin gebauten Raumschlepper aufgetankt wird. Es ist nicht klar, ob Blue Ring diese Aufgabe übernehmen und/oder den Lockheed-Martin-Schlepper ersetzen könnte, schreibt der Gadget-Blog Gizmodo, hält dies aber angesichts der Fähigkeiten von Blue Ring für wahrscheinlich.

(akn)