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Was war. Was wird. Von dunklen Seiten und hellen Wegen

Jede dunkle Nacht hat ein helles Ende, erinnert sich Hal Faber. Doch wie lange wird die Nacht noch dauern, wann ist es Zeit aufzustehen?

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Was war. Was wird. Von dunklen Seiten und hellen Wegen

(Bild: ToonPhotoClub / shutterstock.com)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Jetzt fallen sie, die Steine und Metallhaufen, die beleidigen und an die dunklen Seiten der Geschichte erinnern. In Bristol haben sie Edward Colsten im Hafen ertränkt, in Brüssel Leopold II als Verantwortlicher der Kongogräuel mit roter Farbe erblindet. Bei uns gab es bereits solche Aktionen, weshalb man eine bekleckerte Büste des deutschen Sklavenhändlers Heinrich Carl von Schimmelmann längst wieder weggeräumt hatte. Aber halt, in Oranienburg feiern sie gerade den Großen Kurfürsten als Macht- und Familienmenschen. Sie zeigen hübsche Bilder seiner Flotte, die dem Reeder Benjamin Raule gehörte. Die Geschichte des kurfürstlichen Sklavenhandels mit der Brandenburgisch Afrikanischen Compagnie, der ersten deutschen Aktiengesellschaft, wird ausgeblendet. Der von Emden aus organisierte Sklavenhandel passt halt nicht zu einem preußischen Familienmenschen.

*** Nun erreichte der große kurfürstliche Sklavenhandel niemals das Ausmaß des zeitweiligen "Marktführers", der Royal African Company. Zu den Investoren, die mit dem Sklavenhandel zu einigem Reichtum kamen, gehört der politische Philosoph John Locke, von dem es etliche Statuen gibt. Der große Denker der Staatstheorie mit ihrer Gewaltenteilung gehörte zu den Befürwortern der Sklaverei als Recht der Sieger über die Besiegten in einem Krieg. Wer sie am Leben lässt, hat das Recht, sie zu versklaven. In der von Locke mitverfassten ersten Verfassung von Carolina heißt es in Artikel 110: "Every freeman of Carolina shall have absolute power and authority over his negro slaves, of what opinion or religion soever." Später ließ Locke in seinen Abhandlungen über die Regierung erkennen, dass die Naturrechte von Leben, Freiheit und Eigentum dem Eigentum an Menschen widersprechen. So hat auch die Aufklärung ihre dunklen Seiten.

Die Visualisierung zeigt aus einer Pressemappe, wie die als Zwischenhändler für Palantir auftretende Firma Capgemini für die Software wirbt.

*** Doch geht es gleich zurück ins Helle, denn es gibt noch ganz andere Geschichten, die auf Aufklärung warten. Viel Gewese wird über den CDU-Politiker Philipp Amthor gemacht, Teilzeit-Direktor einer Firma namens Augustus Intelligence. Die Firma um den KI-Experten und Multi-Gründer Pascal C. Weinberger hat Verkehrsminister Andreas Scheuer bei seiner Pionierarbeit beraten und dafür Amthor ein paar Anteile überlassen. Der bucht das lässig als Nebentätigkeit ab, wie die Arbeit im Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin ein halbes Jahr nach seiner Taufe. Der Herr gibt es den Seinen im Schlaf, heißt es bekanntlich in Psalm 127. Der Hinweis mit der Bibel ist ganz angebracht, denn ein biblisches Erweckungsportal machte als erstes auf die Rolle der künstlichen Intelligenz aufmerksam, mit der Karl Theodor zu Guttenberg Europa zu einer Supermacht machen wird. Als Mann, der dunkle Sätze versteht, wird er herrschen, mit dem Hinweis auf Daniel 8,25: "Dank seiner Schlauheit gelingt ihm sein Betrug. Er wird überheblich [...] doch ohne Zutun eines Menschen wird er zerschmettert." Es ist vollkommen klar, dass einer wie Guttenberg einen wie Amthor als Adlatus braucht, dazu in Deutschland verkannte Geister wie Hans-Georg Maaßen und August Hanning. Nicht zu vergessen das Mulitalent Weinberger, das sicher für die Erwachung der AI in Europa zuständig ist. Braucht noch jemand eine hübsche Verschwörungstheorie?

*** Auch um die Firma Palantir gibt es eine ganze Reihe von Verschwörungstheorien und natürlich etliche Erwähnungen in dieser kleinen Wochenschau. Schließlich liefert die Firma Software an die US-amerikanischen Nachrichtendienste und wurde als Start-up von In-Q-Tel mitfinanziert, einer Ausgründung der CIA. Nun wurde bekannt, dass Europol die Palantir-Software Gotham einsetzt, um durch die "Visualisierung von Datensätzen" bei der Analyse aller Datensätze zum internationalen Terrorismus auf weitere Ermittlungsansätze zu kommen. Oben ist ein etwas älterer Screenshot zu sehen, der die Visualisierung zeigt, sinnigerweise aus einer Pressemappe, mit der die als Zwischenhändler für Palantir auftretende Firma Capgemini für die Software wirbt. In der Antwort der EU-Kommission heißt es: "Die Verarbeitung von Daten mit der Palantir-Software erfolgt nur durch ordnungsgemäß ermächtigte Europol-Bedienstete in einer getrennten und streng geschützten Betriebsumgebung." Wie man einer Infographik des European Counter Terroism Center (ECTC) von Europol entnehmen kann, arbeiteten in der Untersuchungskommission Fraternité nach den Anschlägen in Paris am 13. November 2015 insgesamt 90 Beamte mit der Software auf der Basis von belgischen und französischen Datenbanken. Sie fanden 1604 Hinweise auf verdächtige Finanztransaktionen und 17 Hinweise in den Sozialen Medien. Derweil will Palantir in diesem Jahr erstmals die Gewinnschwelle erreichen und an die Börse gehen.

*** Zum anstehenden Geburtstag von Konrad Zuse erfährt der deutsche Computerpionier eine weitere Ehrung. Im Rahmen der neuen Leitinitiative vertrauenswürdige Elektronik soll Deutschland auf dem hellen Weg der technologischen Souveränität ein Stückchen weiter vorankommen. ZUSE heißt das zentrale Projekt, wobei der Name für "Zukunftsfähige Spezialprozessoren und Entwicklungsplattformen" steht. Zusammen mit dem Scale4Edge, das über die Entwicklungszeit und die Entwicklungskosten von Edge-Prozessoren forscht, sollen 25 Millionen Euro ausgegeben werden. Damit verbunden ist die Hoffnung, dass ein großer Teil oder gar die gesamte Wertschöpfungskette in Deutschland abgebildet werden. Wenn ausgerechnet mit Zuse Deutschland irgendwann wieder eine eigene Computerproduktion bekommt, wäre das ein nettes Signal. Vielleicht heißt der neue Prozessor dann Karliczek – irgendjemand wird schon das passende Akronym zusammenbasteln. Bei der nächsten Fördermaßnahme, die 2021 starten soll, hat das nicht ganz geklappt. Statt VeWüEl heißt sie nämlich ZEUS.

Wenn alles nach Plan läuft, wird die Corona-App am Mittwoch an den Start gehen. Problem ist nur, ob alles nach Plan läuft, wenn die Prüfer vom TÜV einen gewissen Nachholbedarf am Start sehen. Auch universitäre Forscher sehen gemäß einer Pressemitteilung noch Defizite beim Datenschutz. Es ist ein spannendes Technologieexperiment mit ungewissem Ausgang und dazu noch eines, dem bislang eine gesetzliche Grundlage (PDF-Datei) fehlt. Die Juristen streiten sich noch und brauchen damit länger als die Programmierer. Dann gibt es noch die Reporter, die da grummeln.

Baizuo – Der Begriff bezeichnet Personen, die sich unter anderem für Themen wie Einwanderung, Minderheiten, LGBT und Umwelt interessierten, nur um ihr eigenes Gefühl moralischer Überlegenheit zu befriedigen.

Wer schon ein paarmal durch die Meldungen positiv getester durch die Ermittlungs- und Weiterreichungsmühle der Gesundheitsämter mit anschließender Suche nach dem nächsten Abstrich-Termin gelaufen ist, wird die App viel eher akzeptieren als diejenigen, die ein oder zwei Augen auf den Datenschutz geworfen haben. Das gilt auch für die, die bereits einmal die Zeit in Quarantäne verbringen mussten. Und die anderen? Ignorieren alles wie ein Baizuo? Wie schreibt es die tageszeitung: "Wird die Abstandsmessung funktionieren, werden Wände und Glasscheiben zuverlässig erkannt? Ist vielleicht auch die Ansteckungsgefahr im Freien so gering, dass es besser wäre, die App dort auszuschalten, weil auch bei viertelstündigem Gespräch eine Ansteckung extrem unwahrscheinlich ist? Und werden diese Fragen überhaupt beantwortet werden? Oder läuft die App jetzt einfach ein Dreivierteljahr, dann gibt es eine Impfung und danach will niemand mehr das Wort Quarantäne hören?"

(bme)