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Was war. Was wird.

Es geht noch schlechter, viel schlechter, überrascht sich Hal Faber selbst, rückblickend auf Blogger-Bemühungen und vorausschauend auf große und kleine Ereignisse.

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Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Ich hätte es mir nicht träumen lassen, dass einmal der Tag kommt, an dem ich die miserablen literarischen Fähigkeiten einer laut denkenden Kunstfigur namens Chad Kroski lobend erwähnen werde. Doch heute ist er da, der Tag. Komplett mit der Erkenntnis, dass Chad Kroski mühelos unterboten werden kann. Die neue Ramschtröte des Blogger-Wahnsinns nennt sich Craig Becker und wird von dem kleinen Verlag in der norddeutschen Tiefebene produziert, der unter anderem diese Wochenschau bezahlt. Hinter Craig Becker steht ein gewisser Axel Post. Herausgeber eines Magazins für Fussball und Popkultur. Ja, da steht tatsächlich "Fussball". Und hohl wie ein Fussball blubbern die Phrasen, wenn es beim Medienhandbuch heißt: "Dem Kunden bieten wir damit größtmögliche Glaubwürdigkeit und frische Konzepte aus Event- Web- und Content-Zutaten. Durch unsere langjährige Erfahrung im Netz, wissen wir sehr genau, wie man Zielgruppen präzise und sauber erreicht." Das alles ist nun beim Heisetreff und wahlweise auch beim stern zu lesen, als ob es bei Heise keine Menschen gibt, die Fußball verstehen. Also, Chad "Telekomiker" Kroski, ich entschuldige mich, es geht noch schlechter, es geht sogar noch viel schlechter: Wie seicht eine Pfütze sein kann, merkt man erst, wenn man aus ihr trinken muss.

*** Die strohblonde Idee, einen Informatiker aus Boston zu konstruieren, der sich *nicht* für Fußball interessiert und kein Kölsch mag, demonstriert die größtmögliche Unglaubwürdigkeit und eine Ignoranz gegenüber dem, was diese Fußball-WM wirklich ist. Nämlich eine WM für Bosse und Bonzen: "Deutschland wird fremdbestimmt von Fifa und Sponsoren, entrechtet und geknebelt wie ein kolonisiertes Land. Das ist der politische Preis dafür, die WM austragen zu dürfen, deren Betreibern, einer eher lichtscheuen Funktionärsgilde, sogar die Befreiung von Steuer- und Visagesetzen zugestanden werden musste." Wer wirklich Fußball mag, wird diese Fußball-WM nicht wirklich mögen können, für die mit der "Zuverlässigkeitsprüfung" als massenkompatible Version des Radikalenerlasses, mit der Abgabe und Prüfung der Ausweise der Überwachungsstaat ein kleines Bisschen perfekter gemacht wurde. Nur für ein paar Wochen? All das im Namen eines vermuteten Terrors, gegen den der allseits vernetzte Führungsbunker steht, die Aktionen von Polizei, Verfassungsschutz, BKA und BND koordinierend. Hinzu kommt der Marken und Medien-Terror in den Stadien und auf den herbeigelogenen "Fanfesten", in der alle Bilder unter Kontrolle der FIFA stehen, wenn es in Verbotsregel Nummer o heißt: "Verboten sind alle Geräte, die dazu dienen über das Internet oder andere Medien Sound, Bilder, Beschreibungen oder Veranstaltungsergebnisse zu übermitteln oder zu verbreiten." Unter diesem Gesichtpunkt kann man die Aufforderung des Heisetreffs, "Impressionen von WM-Happenings abzulegen", als extrablond bezeichnen.

*** Bleiben wir ausnahmsweise mal beim modernen Fußball mit Portfolio-Trainern wie Jürgen Klinsmann und Ticket-Verkaufsregeln wie Friends and Family aus der Welt des Aktienhandels. Da ist eine Mail, die eigentlich nur für die Linken gedacht war, an alle Abgeordneten des Bundestages gegangen und anschließend über gefühlte 300 weitere Verteiler. Wie sich gestandene Linke darüber geschmeichelt fühlen, ein Viertelfinalspiel in der Adidas-Arena verfolgen zu dürfen, weiß nun die gesamte Republik. Eigentlich sollte der eigentlich verbotene Bau wohl Bundestagsarena heißen. Weil Adidas nicht nur an dem WM-Fußball namens Teamgeist verdient, sondern auch Anteilseigner bei den WM-Versendern ist. Wäre damit die Adidas-Arena eine No-Go-Area für Linke? Ich weiß es nicht. Übrigens erübrigt sich die Diskussion um No-Go-Areas, wenn die FIFA von ihrem neuen Prachtbau aus weiterhin selbstherrlich die Welt regiert. Als Nächstes will sie gegen geltendes europäisches Recht den Ausländeranteil in den Mannschaften wieder begrenzen und die Erstligen auf 16 Mannschaften herunterfahren, weil sonst zuviel Fußball gespielt wird, der die Marke verwässert.

*** Vielleicht wird man die FIFA nur verstehen, wenn man im Innern des Fußballfilzes sitzt und Laus ist. Ähnlich muss es bei den Wanzen aussehen, die im Innern des BND arbeiten. 6050 Mitarbeiter hat dieser Geheimdienst, davon sind 3500 im Auslandseinsatz und zehn Prozent aktive Soldaten. So gesehen ist es nur logisch, wenn sich der BND die soldatische IT-Kampftaktik der Informationsüberlegenheit zu Eigen macht. Die ist natürlich nur zu erreichen, wenn es keine "unautorisierten Informationsabflüsse" gibt, keine Datenlecks und keine Angriffspunkte, an denen jemand den internen Google im hoch geheimen Intranet peitschen kann. Deshalb wurde die "Operation Hasenfuß" gestartet, ein würdiger Tarnname für eine Journalistenbespitzelung durch andere Journalisten, durchgeknallte Existenzen wie "Dali" und "Bosch", der eine aus Geldgier, der andere aus Rache. Obwohl besagter Dali für die Abteilung "Operative Aufklärung" bald "verbrannt" war (für 650.000 DM Honorar), wurde er wieder eingesetzt, als es gegen Journalisten ging. Insgesamt redete ein Abteilungsleiter Foertsch mit rund 20 Journalisten, die andere Journalisten bespitzelten, ein "völlig normaler Vorgang". Wie lieblich ist diese aufgeschleimte Normalität. "Werdet Spitzel!" sollte man den deutschen Spargelstechern zurufen, die trotz der Münte-Regel nicht auf den Feldern erschienen sind. "Verpfeift die anderen, die nicht gekommen sind!" Es ist der Anfang einer großen Karriere. Auch ein Schmidbauer hat klein angefangen, als Rektor und Gymnasialbeauftragter. Ich kann es auch anders formulieren: In dieser Woche ist im gelahrten Feuilleton viel über zwei Fotografie-Ausstellungen geschrieben worden: Hier die Stasi, dort der BND. Da wächst halt etwas zusammen, wie das so ist, wenn etwas wächst und wuchert und ein christlich gesinnter Schäuble predigt, dass Polizei und Nachrichtendienste zusammenarbeiten müssen, nicht nur bei der Fußball-WM. Aber, frei nach dem großen Valentin: "Fragen dürfen haben wir uns nie getraut." Was das werden wird.

*** Dürfen wir bitte mal losfahren? An dieser Stelle muss ich Farbe bekennen: Ich habe einen Opel Corsa. Als Zweitwagen ist er gut genug, dass die Großen auf ihm fahren lernen können und die Kleinen es im Kindersitz in die Kita schaffen. Wenn die ganze Familie unterwegs ist, muss allerdings ein großer Espace her. Opel ist die Firma, die als erste über ihre Wagen bloggen lässt. Dabei lernt man weniger die Wagen, sondern die strunzdämlichen Blogger kennen, die bei einer solchen Aktion mitmachen. Sie sind vor allen Dingen kinder- und humorlos. Sie haben keine Kindersitze im Sinn, sondern suchen lieber eine Putzfrau für ihr ermüdendes Single-Dasein oder wundern sich, wenn der Scheibenwischerhebel in die Ausgangsposition zurückgeht und das Radio die beste Senderfrequenz sucht. Wow. Dabei sind die auserwählten A-Blogger bereit, dem ersten echten Kritiker der Prostitutesterei wahlweise die Fresse oder sein Auto zu polieren. Ein Platzhirsch-Gehabe, das den so kritisierten Blogger zur Aufgabe seiner Angriffe zwingt. Gerade in Stuttgart achtet man ja sehr auf Autos. Das Beste ist: Die 4 Wochen Spaß haben erst angefangen. Nach der ersten Fressen-Aufgabe ist eigentlich der erste Opel dran, "poliert" zu werden. Vielleicht mit einem Aufkleber wie "Ich war eine Blogger-Dose" oder "In dieser Pfütze hat Don Dahlmann gesessen".

*** Es kommt noch schlimmer. Die Mutanten sind längst unter uns. Der Langenscheidt-Verlag ist auf Werbetour für das "Explorer Wörterbuch Englisch". Ein Buch mit "revolutionärer Layout-Optik", eng angelehnt an den Windows-Explorer von Microsoft. "Denn Kinder sehen und denken in Computerstrukturen, genauer gesagt in Windows-Strukturen, behauptet der Pressesprecher von Langenscheidt in der Süddeutschen Zeitung, die diese Flitzekacke nicht online gestellt hat. Natürlich wünsche ich mir für meine Kinder die Fähigkeiten, strukturiert zu denken, aber doch nicht in den verkorksten Strukturen einer miesen Benutzeroberfläche einer monopolistisch agierenden Firma. Zumal das Wörterbuch endlich Schluss macht mit der Angewohnheit der Lexikographen, immer zwei Übersetzungsmöglichkeiten zu bieten. Eine muss reichen, schließlich ist Windows ja Microsoft Windows und nicht ein schlichtes Fenster. Wer mit der Behauptung von Windows-Strukturen in den Köpfen der Kinder Jahrhunderte sprachwissenschaftlicher Forschung verflüssigt, sollte sich besser in Microscheidt umbenennen und Karl Klammer als Lektor für seine Infokästen einstellen. Die Erkenntnis von Windows-Strukturen ist übrigens urheberrechtlich geschützt: Motezumas Rache kommt später.

Was wird.

Der ehemalige IBM-Manager Walter Raizner hat bei der Deutschen Telekom ein neues TV-Zeitalter ausgerufen, weil in Kooperation mit Premiere die Postbank-Liga via Internet gezeigt wird. Das bringt uns zum Medienforum NRW, auf dem am kommenden Montag die Firma "Mobiles Fernsehen Deutschland" mit dem Start von DMB mal wieder eine Handy-Revolution ausrufen wird. Dem NRW-Medienfestival hat NRW-Boss Jürgen Rüttgers gerade 2,5 Millionen Euro aus dem Budget gestrichen. Die billigen Inhaltslieferanten Vlogger und Podcaster, die erstmals ihren Podcastday veranstalten, wird das kaum stören. Ansonsten sucht das Medienforum nach neuen Kongresserweiterungen? Wie wäre es mit einem Powerpoint-Karaoke all der langweiligen Vorträge, die sie in Köln üblicherweise produzieren? Oder gar, apart mit NRW-Fördermitteln drapiert, einem Porno-Karaoke? Wie war das noch? Es geht noch schlechter, viel schlechter. (Hal Faber) / (anw)