Kommentar: Cloud-Windows für alle – ordentlich Abos für Microsoft

Im Rahmen einer kartellrechtlichen Untersuchung wurden Microsofts Pläne bekannt, den Windows-Desktop für alle in die Cloud zu schieben. War doch logisch?

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Laptop mit Windows 11

(Bild: Curt Bauer / Shutterstock)

Lesezeit: 4 Min.
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Zum Mittwoch dieser Woche machte es die Runde: Microsofts Pläne, das Windows-Betriebssystem als Desktop in der Cloud anzubieten, soll für alle gelten, auch für private Endkunden. Und mehr künstliche Intelligenz sowieso! So stand es in einer Präsentation aus Juni 2022 – also schon ein Jahr alt –, die im Rahmen einer kartellrechtlichen Untersuchung zur Activision-Blizzard-Übernahme publik wurde.

Die Erregung darum erstaunt mich ein wenig. Das ist doch nur logisch und konsequent von der zuständigen Microsoft-Abteilung zu Ende gedacht? Es handelte sich um eine Präsentation, sodass derartige Ideen darin doch vorgestellt gehören? Es ist durchaus üblich, dass sich das Marketing eine Vision ausdenkt, wie ein Produkt weiter aufgestellt und verkauft werden kann.

Ein Kommentar von Dirk Knop

Dirk Knop schreibt für heise online über IT-Sicherheit und Betriebssysteme. Aber auch Audio und Video sowie Basteln mit Lötkolben und Pinzette stehen auf dem Menü.

Es ist eine einfache, logische Weiterentwicklung. So wie aus Windows Virtual Desktop zunächst Azure Virtual Desktop und Mitte 2021 schließlich Windows 365 wurde. Sowieso ist das technisch eigentlich ziemlich simpel: Es handelt sich am Ende im Kern nur um vereinfachtes und aufgehübschtes RDP.

Offizielle Verkaufszahlen für Microsofts Cloud-Windows, das sich Windows 365 nennt, kenne ich nicht. Aber natürlich macht Microsoft mehr Umsatz und Gewinn, wenn ein monatlicher, regelmäßiger Zahlungsstrom für das Abonnement eintrudelt, als wenn lediglich ein einmaliger, womöglich noch rabattierter Kaufpreis zum Installationszeitpunkt anfällt.

Daher liegt die Idee nahe, so viele Nutzerinnen und Nutzer wie möglich in die Cloud zu verfrachten. Microsoft hat dann mehr Kontrolle und stetigen Umsatz. Beim Endanwender-Geschäft fällt jedoch in der Regel mehr Supportaufwand durch Nutzeranfragen an. Das ist vermutlich einer der Gründe, warum Microsoft das nach einem Jahr immer noch nicht umgesetzt hat.

Ein Cloud-Desktop, bei dem die Daten auf Cloud-Laufwerken gespeichert sind, was könnte da schon schiefgehen? Beispielsweise ist kontinuierlich eine Internetverbindung nötig. Ist die etwa unterwegs mal wackelig oder reißt ab – können Nutzer nicht mehr auf ihren Desktop und ihre Daten zugreifen.

Oder wenn Microsoft einen Dienst verkonfiguriert, wie jüngst bei Teams? Dann sind auf unbestimmte Zeit Daten nicht bearbeitbar oder der Windows-Desktop in der Cloud nicht zugreifbar.

Auch sonst finde offenbar nur ich einiges sonderbar an dem Konzept. Dank Windows 365 Boot solle sich seit Ende Mai testen lassen, wie kein lokaler Windows-Desktop mehr nötig sei. Laut Beschreibung installiert man dazu erst einmal ein vollständiges Windows 11 22H2. Beim Log-in ist nach entsprechender Konfiguration dann anstatt des lokalen Desktops direkt der aus der Cloud gestreamte da. Nutzer müssen also nicht erst noch weiter Programme starten.

Na ja, sofern das Netz oder der Dienst läuft, zumindest. Aber auch mit Windows 365 Boot läuft da ein volles Windows-Desktop-System, ich sehe da einen Widerspruch. Ginge es um ein eingedampftes Windows, wie die Windows RE-Wiederherstellungsumgebung, wirkte das Argument auf mich nachvollziehbarer. Vielleicht kann das auch Windows-on-ARM populärer machen. Die Geräte fühlen sich öfter etwas schwachbrüstig an in der Praxis, da passt ein mit skalierbarer Rechenleistung ausgestatteter gestreamter Desktop doch perfekt. Und auch die x86-Apps laufen ungebremst.

Am Ende gibt es Aspekte an der Cloud-Desktop-für-alle-Idee, über die man sich vortrefflich aufregen kann. Aber die Idee selbst, dass zur Gewinnmaximierung möglichst viele das System nutzen sollen, gehört nicht dazu. Microsoft ist schließlich ein wirtschaftliches Unternehmen und keine Non-Profit-Organisation: So viele Abos!

(dmk)