USA: Gesetze dürfen nicht hinter Paywall versteckt werden

Gesetze und andere Werke von US-Gesetzgebern dürfen frei verbreitet werden. Dafür mussten Bürgerrechtler bis zum obersten Gericht ziehen.

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Richterhammer, dahinter US-Fahne

(Bild: Joshua Joseph D. Magbanua/US Luftwaffe (gemeinfrei))

Lesezeit: 3 Min.

412 Dollar müssen Einwohner des US-Staates Georgia an den Verlag LexisNexis zahlen, wenn sie den verbindlichen Wortlaut der sie betreffenden Gesetze lesen möchten. Besucher des Staates, die das Recht kennen möchten, müssen überhaupt telefonisch einen (wohl höheren) Preis erfragen. In 25 weiteren US-Staaten und -Territorien ist die Lage ähnlich. Damit macht der US Supreme Court nun Schluss. Für die Werke von US-Gesetzgebern gibt es genau wie für Werke von US-Richtern kein Copyright. Also sind die Rechtstexte gemeinfrei, jedermann darf sie kopieren und verbreiten.

Das hat der Gerichtshof am Montag entschieden (Georgia v. Public.Resource.Org, Az. 18-1150). Grundsätzlich war schon bisher unstreitig, dass Gesetzestexte nicht dem Copyright unterliegen. Allerdings greifen viele US-Staaten zu einem Trick: Sie geben die Gesetzestexte ausschließlich in Verbindung mit Anmerkungen (Annotationen), die keine unmittelbare Gesetzeskraft haben, heraus. Für diese Anmerkungen haben sie bisher Copyright beansprucht.

Einwohner Georgias mussten bisher diese Bezahlschranke überwinden, um sich über das für sie geltende Recht zu informieren.

(Bild: Screenshot)

Das Gesamtwerk aus gesammelten Gesetzen und Anmerkungen wird dann kostenpflichtig veröffentlicht; die Textteile zu trennen würde so lange dauern, dass die Version schon wieder veraltet wäre. Wer das Konvolut kopiert und veröffentlicht, wird verklagt. So ist es auch der gemeinnützigen Organisation Public.Resource.Org (PRO) ergangen, die Georgias Gesetzessammlung veröffentlicht hat. Der Staat gewann sogar in der ersten Instanz, doch in der Berufung konnte sich PRO durchsetzen.

Carl Malamud kämpft seit Jahrzehnten für die freie Zugänglichkeit amtlicher Unterlagen. Er hat die Stiftung Public.Resource.Org gegründet und wurde von der Electronic Frontier Foundation mit dem EFF Pioneer Award geehrt.

(Bild: Joel Hall/Gorinin CC BY 2.0 )

PRO hatte also gewonnen. Dennoch setzte die Organisation diesen Sieg aufs Spiel und bat den Supreme Court um Überprüfung. Sie wollte einen landesweit gültigen Präzedenzfall. Dieser äußerst ungewöhnliche Schritt wäre fast schiefgegangen, da vier der neun Höchstrichter das Urteil der Berufungsinstanz wieder aufheben wollten. Eine einzelne Richterstimme hat also den Ausschlag zugunsten der freien Zugänglichkeit geltenden Rechts gegeben.

Die fünf Höchstrichter der Mehrheit berufen sich auf drei Präzedenzfälle aus dem 19. Jahrhundert. Damals hat der Supreme Court entschieden, dass es für Gerichtsurteile samt Überschriften und Zusammenfassungen kein Copyright geben kann. Personen, die Recht setzen können, können im Zuge der Verrichtung ihrer öffentlichen Aufgaben keine Urheber sein. Und ohne Urheber gibt es kein Copyright. Was für Richter gilt, wird nun auch auf Parlamente angewandt, da ja beide Recht setzen können.

Zwar erhalten Einwohner Georgias, ausschließlich für persönliche, nicht-kommerzielle Zwecke, Zugang zu einer einer gebührenfreien Version der Gesetze ohne Anmerkungen – bloß dürfen sie sich ausdrücklich nicht auf Vollständigkeit und Korrektheit des Textes verlassen.

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Copyright

Das Problem geht noch tiefer: Einige wichtige gesetzliche Bestimmungen Georgias wurden von zuständigen Gerichten für nicht anwendbar erklärt, etwa weil sie verfassungswidrig sind. Georgias Parlament hat diese ungültigen Bestimmungen aber nie aufgehoben. Daher scheinen sie im Gesetzestext weiter auf. Nur den Anmerkungen lässt sich entnehmen, was wirklich gilt.

Privatwirtschaftlich tätige Juristen oder Verlage können durchaus weiterhin Copyright für annotierte Gesetzesausgaben beanspruchen, wenn sie die Annotationen in Eigenregie abgefasst haben. In Georgia bestimmt jedoch eine Kommission des Parlaments genau, was in den Anmerkungen zu stehen hat. Zudem beschließt das Parlament deren Veröffentlichung per Abstimmung, und beansprucht dann das Copyright für den Staat Georgia. Letzteres zu Unrecht, wie der Supreme Court nun entschieden hat.

(ds)