Vor 75 Jahren: Die Geburtsstunde des Transistors

Am 23. Dezember 1947 präsentierten Forscher der AT&T Bell Laboratories den ersten Transistor. Am 24. Dezember stellten sie ihn offiziell vor.

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John Bardeen, William Shockley und Walter Brattain, die Erfinder des Transistors, 1948.

(Bild: Gemeinfrei)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Bernd Müller
Inhaltsverzeichnis

Der 23. Dezember 1947 ist ein Tag für die Geschichtsbücher. An diesem Tag präsentierten John Bardeen und Walter Brattain ihrem Kollegen William Shockley in den Bell Laboratories von AT&T eine kleine handgebastelte Apparatur: den ersten Transistor. Den Dreien war die Bedeutung ihrer Erfindung sofort klar. Diese konnte elektrische Signale verstärken, ohne empfindliche und stromfressende Vakuumröhren. Der Grundstein für einen der größten technologischen Umbrüche der Menschheitsgeschichte war gelegt.

Um die Funktionsweise des Transistors zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf ihren Vorgänger, die Triode. Einmal aufgeheizt – daher das sanfte Glühen – strömen in dem luftleeren Glaskolben Elektronen von der Kathode zur Anode. Dabei müssen sie ein Gitter passieren, das negativ geladen ist. Je höher diese negative Ladung ist, umso stärker werden die ebenfalls negativ geladenen Elektronen abgebremst, entsprechend weniger passieren das Gitter. Die Elektronen, die es durch das Gitter geschafft haben, werden von diesem zur Anode beschleunigt. Für die Regelung ist lediglich ein schwaches elektrisches Feld notwendig, das einen großen Strom steuern kann. Die Triode ist damit ein regelbares Stromventil. Das allerdings Grenzen hat: Bei 100 MHz ist Schluss, höhere Frequenzen schafft die Triode nicht, außerdem ist der Verstärkungsfaktor gering.

Die Erfindung des Transistors war also eigentlich überfällig, als Bardeen, Brattain und Shockley in den Bell Laboratories in den USA einen ersten funktionierenden Prototyp erstellten. Am 23. Dezember 1947 absolvierte das wackelige Konstrukt seinen Probelauf in einem Oszillator. Und die Bezeichnung "Transistor", zusammengesetzt aus "Transfer" und "Resistor (Widerstand)", was die Funktion des steuerbaren Widerstands gut beschreibt, setzte sich durch. 1956 erhielten die drei dafür den Nobelpreis für Physik.

Beim ersten Transistor der Bell Labs handelte es sich um einen Bipolartransistor, eine Bauform, die bis in die späten 1960er Jahre dominierte. Erst dann gewannen die leistungsfähigeren Feldeffekttransistoren die Oberhand – obwohl die Patente von Lilienfeld und Heil ursprünglich solche Feldeffekttransistoren beschrieben. Doch deren Fertigung war wirtschaftlich erst in den 1960ern möglich.

Zurück zum Klassiker, dem Bipolartransistor. Der hatte damals wie heute drei Anschlüsse: Emitter, Basis, Kollektor. Im Inneren sind sie verbunden mit drei Halbleitermaterialien, die aufeinandergestapelt sind. Zwischen Emitter und Basis liegt eine Spannung an, mit dem Pluspol an der Basis. Überschreitet die Spannung einen bestimmten Schwellenwert – bei einem Transistor aus Silizium etwa 0,7 Volt –, dann sinkt der Widerstand und der Transistor ist auf Durchlass geschaltet. Vom Emitter fließen die Elektronen dann in die Basis, wo einige von ihnen eingefangen werden. Weil die Schicht der Basis allerdings sehr dünn ist, bleiben nur wenige Elektronen – weniger als ein Prozent – dort hängen, die Mehrzahl überschwemmt die Basis regelrecht und fließt weiter zum Kollektor. Liegt die Spannung zwischen Emitter und Basis dagegen unter dem Schwellwert, fließt kein Strom in die Basis und der Widerstand zwischen Emitter und Kollektor wird unendlich, es fließt auch dort kein Strom mehr: der Transistor ist gesperrt.

Der Transistor arbeitet dann als perfekter Schalter und erzeugt damit die Zustände 1 und 0 in digitalen Bauelementen. Variiert man dagegen die Spannung zwischen Emitter und Basis kontinuierlich, führt dies zu einer großen kontinuierlichen Stromänderung im Kollektor. Die Analogie zur Triode als regelbares Stromventil drängt sich hier förmlich auf: Die Basis entspricht dem Gitter.

Vertieft man sich in die physikalischen Prinzipien, hört die Analogie aber schnell auf. Während in der Triode ein elektrisches Feld die Elektronen mehr oder weniger bremst, ist es im Transistor ein Halbleitereffekt. Halbleiter sind Stoffe, die weder ein Isolator sind wie etwa Glas oder Kunststoff noch ein perfekter Leiter wie etwa Metalle. Sie liegen dazwischen, wo genau, lässt sich durch Dotieren einstellen. Dazu werden diese Stoffe mit Fremdatomen gezielt "verunreinigt", wobei es zwei Typen gibt. n-Leiter erhalten Atome mit einem Elektronenüberschuss, zum Beispiel Phosphor, p-Leiter Atome mit einem Überschuss an Löchern, zum Beispiel Bor. Wie bitte: Löcher? Das sind Atome mit einem Elektronenmangel, in die Elektronen hineinfallen können, die Löcher bewegen sich dadurch (virtuell) in die entgegengesetzte Richtung. Die Basis des Bipolartransistors besteht aus einer dünnen, p-dotierten Schicht, die einige der Elektronen vom Emitter einfängt, was zu dem oben beschriebenen kleinen Stromfluss führt. Emitter und Kollektor sind dagegen n-dotiert.

Das ist aber nicht in Stein gemeißelt. Neben dem npn-Transistor gibt es auch pnp-Varianten, die invers aufgebaut sind und wo der Strom entgegengesetzt fließt. Tatsächlich waren die ersten Transistoren pnp-Typen aus einem n-dotierten Halbleiterplättchen, in das man von beiden Seiten durch Diffusion p-Dotanden einbrachte und so Emitter und Kollektor erzeugte. Moderne Transistoren sind deutlich komplexer aufgebaut, sie bestehen aus vielen dreidimensional arrangierten Lagen unterschiedlicher Dotierungsdichte.

Damit hatte der erste Transistor nichts gemeinsam. In seinem Experiment schnitt Brattain die Spitze eines mit Gold beschichteten Keils aus Polystyrol ab, wodurch zwei dicht nebeneinander liegende Goldkontakte entstanden. Diesen Keil presste er auf einen Germaniumkristall. Nach dem Test am 23. Dezember 1947 beschrieb er am nächsten Tag in seinem Laborbuch die erste Halbleiterschaltung, die menschliche Sprache um den Faktor 18 verstärkte. An diesem 24. Dezember stellte das Team seine Entdeckung vor – und bescherte seinem Arbeitgeber ein epochales Weihnachtsgeschenk.

Die drei Erfinder erhielten 1956 den Nobelpreis für Physik. Die Zeremonie in Stockholm war das letzte Mal, dass sie sich trafen. Sie hatten sich heillos zerstritten: Brattain und Bardeen beanspruchten die Technologie für sich allein, worauf Shockley Verrat witterte und seine eigene Firma gründete.

(jle)