Elektroautos in den USA: Boom der Batteriezellenfertigung durch Steueranreize

E-Autos können in den USA ab 2023 nur dann gefördert werden, wenn ein steigender Mindestanteil der Rohstoffe aus den USA selbst oder assoziierten Ländern kommt.

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Hersteller wie BYD – hier die Blade-Batterie – müssen entweder sehr kostengünstig sein, um konkurrenzfähig in die USA exportieren zu können, oder sie müssen nach den Vorgaben des Inflation Reduction Acts produzieren.

(Bild: BYD)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Christoph M. Schwarzer
Inhaltsverzeichnis

Northvolt, ein schwedischer Produzent von Batteriezellen, überdenkt den Bau einer Fabrik in Schleswig-Holstein: Man müsse wegen der stark gestiegenen Energiepreise neu kalkulieren, heißt es beim NDR unter Berufung auf einen Unternehmenssprecher. Der Start der Baustelle Mitte 2023 sowie der Fertigung ab 2025 wären derzeit unrealistisch. Stattdessen könnte es sein, dass man sich zuerst auf die USA als Standort konzentriert. Ein Umdenken, das sich zurzeit häufig beobachten lässt: In den Vereinigten Staaten wird massiv Geld in die Batterieproduktion investiert. Die Ursache dafür ist der sogenannte "Inflation Reduction Act", den die Regierung Biden im August beschlossen hat. Die Steuergutschrift von 7500 US-Dollar ist gebunden an die Herkunft der Batteriematerialien.

Konkret müssen für die steuerliche Förderfähigkeit ab 2023 40 Prozent der kritischen Ressourcen in einer Traktionsbatterie wie etwa Lithium aus den USA oder einem Land stammen, das ein Freihandelsabkommen mit den USA hat. Zum Beispiel aus Canada (USMCA). Das hat Forbes im August 2022 berichtet. Dieser Wert steigt jährlich um zehn Prozentpunkte bis auf 80 Prozent für 2027. Bei den Materialien, die nicht als kritisch bewertet werden – zum Beispiel Stahl – wächst der Mindestanteil von 50 Prozent für 2023 auf 100 Prozent für 2029.

Ab 2025, und das ist für die Zellproduktion für Batterien in Elektroautos besonders bedeutend, sind kritische Metalle tabu, die aus einem country of particular concern stammen – sofern man die Steuergutschrift in Anspruch nehmen will. Letzteres ist nur theoretisch relevant, denn nirgendwo ist die Marge so hoch, als dass ein Hersteller auf eine solche Summe verzichten könnte und dennoch konkurrenzfähig wäre. Auf dieser Liste der "besonders besorgniserregenden Länder" stehen unter anderem Russland und China.

Northvolt, ein schwedischer Produzent von Batteriezellen, wird die Investition in eine Fabrik in Schleswig-Holstein aufschieben. Northvolt ist durch das Joint-Venture mit Volkswagen in Salzgitter bekannt. Man konzentriert sich stattdessen vorerst auf die USA. Die Ursache ist der Inflation Reduction Act.

(Bild: Northvolt)

China ist nicht nur das Land, das mit CATL und BYD zwei der drei größten Batterieproduzenten weltweit beheimatet. Aus China kommen auch sehr große Anteile des Graphits, das in faktisch allen heutigen Zellen als Anodenmaterial verwendet wird. Zusätzlich wird dort Lithium aus Ursprungsländern wie Australien in großen Mengen zu Lithiumhydroxid veredelt. Die Abhängigkeit von China bei der Lieferkette ist entsprechend mächtig.

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Die Steuergutschrift von 7500 Dollar hat weitere Beschränkungen: Förderfähig sind nur Elektroautos bis zu einem Preis von 55.000 Dollar. Hiermit ist wie üblich in den USA der Nettopreis ohne Mehrwertsteuer gemeint. Für Trucks und Vans liegt das Limit bei 80.000 Dollar. Das ist wichtig, weil unter allen Fahrzeugen der Ford F-150 Pickup der Topseller ist und der elektrische F-150 Lightning zwar in der Grundversion nur gut 52.000 Dollar kostet. Die Ausstattungslinie XLT aber liegt schon bei über 59.000 Dollar, und der F-150 Lightning Lariat kostet mindestens 74.000 Dollar. Alles andere als nebensächlich: Wer als Einzelperson mehr als 150.000 Dollar pro Jahr verdient, geht grundsätzlich leer aus.

Elektroautos sind bis zu einem Preis von 55.000 US-Dollar (ohne Mehrwertsteuer) förderfähig. Bei Trucks wie dem Ford F-150 Lightning liegt die Grenze bei 80.000 US-Dollar. Wer als Einzelperson mehr als 150.000 US-Dollar pro Jahr verdient, geht grundsätzlich leer aus.

(Bild: Ford)

Der Inflation Reduction Act wurde zu Beginn hart kritisiert. Präsident Biden könne so den beginnenden Boom der Elektroautos zerstören. Eine Vermutung, die angesichts der wenigen förderfähigen Elektroautos plausibel erschien: Nur bestimmte Versionen von Tesla Model 3 und Model Y sind abzugsfähig, und beim VW ID.4 können nur jene Kunden 7500 Dollar Steuergutschrift beantragen, wenn sie ein Fahrzeug vom Produktionsstandort Tennessee und nicht aus Zwickau haben – unter anderem, weil das Freihandelsabkommen "Transatlantic Trade and Investment Partnership" (TTIP) bis heute nicht in Kraft ist. TTIP bekommt auf diesem Weg frische Impulse.

Die Realität zeigt inzwischen, dass das Gegenteil der Befürchtungen passiert: Es gibt gigantische Investitionen in die Batterieproduktion der USA mit den dazugehörigen Lieferketten. Offenbar kann und will kaum jemand auf das Potenzial von rund 15 Millionen Pkw pro Jahr verzichten. Dass Autos da produziert werden, wo sie auch verkauft werden, ist üblich: Für China wird unabhängig von der Marke vorwiegend in China gebaut, für die USA in den USA und für die EU in der EU.

Den USA ist es also gelungen, Wirtschaftsförderung mit geostrategischen Interessen zu verbinden. Es ist Spekulation, aber wahrscheinlich ist Northvolt eben diesem Sog gefolgt. Zwar gibt es auch in Deutschland und anderen EU-Staaten Überlegungen, die Lieferketten zu diversifizieren. Konkrete Handlungen sind jedoch nicht bekannt, und Projekte wie die Lithium-Förderung im Rheingraben werden von Debatten über mögliche Gefahren bestimmt.

In den USA sind Elektroautos nur dann mit 7500 US-Dollar Steuergutschrift förderfähig, wenn ein jährlicher Mindestanteil bei den Rohstoffen der Traktionsbatterie aus den USA oder assoziierten Ländern kommt. So verbinden die USA Wirtschaftsförderung mit Geostrategie. Und: Ab 2025 darf für die Förderfähigkeit kein Gramm der Zellmaterialien aus China oder anderen countries of particular concern kommen.

(Bild: Northvolt)

Falls die Lieferketten für die Produktion von Batteriezellen in Europa nicht diversifiziert werden, ist eine weitgehende Abhängigkeit von Vorprodukten aus China das Ergebnis. Ab 1. Januar 2035, also in gut zwölf Jahren, dürfen in der EU ausschließlich Pkw und Nutzfahrzeuge bis 3,5 Tonnen Leergewicht neu zugelassen werden, die keine direkten CO₂-Emissionen abgeben, und das werden nach heutiger Einschätzung meistens batterie- und einige brennstoffzellen-elektrische Fahrzeuge sein.

Der Lehrstuhl "Production Engineering of E-Mobility Components" (PEM) der RWTH Aachen trägt regelmäßig zusammen, wie viel Produktionskapazität für Batteriezellen in Europa für das Jahr 2030 angekündigt wird, also fünf Jahre vor dem Ablauf der Restfrist für Verbrennungsmotoren. Nach dem Stand Juli 2022 sind das 1411 GWh jährlich. Eine Menge, die ausreichen würde, nicht nur sämtliche Pkw und alle Arten von Nutzfahrzeugen, sondern darüber hinaus auch stationäre Speicher zu bestücken.

Ob aus den Ankündigungen in Europa auch die Wirklichkeit wird, ist offen. Es ist erstaunlich, dass Politik und Industrie die Gefahr der Erpressbarkeit durch von China dominierte Lieferketten erkennen, aber nicht darauf reagieren. In den USA jedenfalls zeigt die Überarbeitung der Kaufförderung von Elektroautos eine deutliche Wirkung.

(mfz)