Die heißeste neue Klimatechnologie sind Ziegelsteine​

Die Baumaterialien könnten als Wärmespeicher für die Industrie zur Emissionssenkung beitragen. Die Wärmeaufladung können Sonnen- und Windenergie übernehmen.​

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Hier Ziegelsteine in einer Klinkerfassade, doch Start-ups wollen die Steine als Wärmespeicher nutzen.

(Bild: Stefan Kühn / cc by sa-3.0)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Casey Crownhart
Inhaltsverzeichnis

Wärmespeichernde Ziegelsteine könnte der Schlüssel dazu sein, einige der weltweit größten Umweltverschmutzer mit erneuerbaren Energien zu versorgen. Bisher erhalten Großindustrien, die für die Produktion von Stahl bis Babynahrung viel Wärme benötigen, diese größtenteils durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Erdgas. Kein Wunder, dass die Schwerindustrie für etwa ein Viertel der weltweiten Emissionen verantwortlich ist. Alternative Energiequellen wie Wind- und Solarenergie, die weniger Treibhausgase produzieren, können die benötigten Wärmemengen bisher nicht konsistent erzeugen.

Hier kommen nun die Wärmebatterien in Form von Ziegelsteinen ins Spiel. Eine wachsende Zahl von Unternehmen arbeitet an der Entwicklung von Systemen, die die durch sauberen Strom erzeugte Wärme auffangen und für die spätere Nutzung in Ziegelstapeln speichern können. Sie basieren auf einfachen Konstruktionen und handelsüblichen Materialien und könnten schnell überall errichtet werden. Noch befinden sich die meisten Testsysteme in einem frühen Stadium, aber Wärmespeichersysteme haben das Potenzial, die Industrie von fossilen Brennstoffen zu befreien.

Ein Schlüssel zum potenziellen Erfolg von Wärmebatterien ist ihre Einfachheit. "Wenn man es im großen Maßstab schaffen will, sollten sich alle einig sein, dass es langweilig und zuverlässig ist", sagt John O'Donnell, Geschäftsführer des in Kalifornien ansässigen Wärmespeicher-Start-ups Rondo Energy. Das Start-up hat im März sein erstes kommerzielles Pilotprojekt in einer Ethanol-Anlage in Kalifornien in Betrieb genommen.

Dabei handelt es sich im Grunde um einen sorgfältig konzipierten Stapel von Ziegelsteinen. Im Rondo-System, fließt der Strom durch ein Heizelement und wird hier in Wärme umgewandelt. Es ist der gleiche Mechanismus wie bei einem Toaster, sagt O'Donnell, aber viel größer und heißer. Die Wärme strahlt dann durch den Ziegelstapel hindurch und erwärmt ihn auf Temperaturen von über 1.500 Grad.

Der isolierte Stahlbehälter, in dem die Ziegel untergebracht sind, kann sie stunden- oder sogar tagelang heiß halten. Wird die eingeschlossene Wärme benötigt, blasen Ventilatoren Luft durch die Ziegel. Die Luft kann auf ihrem Weg durch die Zwischenräume Temperaturen von bis zu 1.000 Grad erreichen. Wie die endgültige Wärme dann genutzt wird, hängt laut O'Donnell vom kommerziellen Prozess ab, obwohl viele Anlagen sie wahrscheinlich nutzen werden, um Wasser in Hochdruckdampf zu verwandeln.

Bei Rondos Pilotprojekt in einer Biokraftstoffanlage wird der Dampf während des Fermentationsprozesses zur Herstellung von Ethanol verwendet. In vielen anderen industriellen Prozessen wird Dampf zur Temperaturregelung in Reaktoren oder in anderen Schritten wie der Reinigung eingesetzt.

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Wärmebatterien könnten auch speziell für Prozesse mit höheren Temperaturen entwickelt werden, bei denen heute kein Dampf verwendet wird: Geeignet wären zum Beispiel die Zement- und Stahlherstellung, die Temperaturen von mehr als 1.000 Grad erfordern.

Viele industrielle Prozesse laufen 24 Stunden am Tag und benötigen konstantes Heizen. Durch eine sorgfältige Steuerung der Wärmeübertragung kann das System von Rondo schnell aufgeladen werden, um kurze Zeiträume zu nutzen, in denen Strom aufgrund der Verfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen billig ist. Die Wärmebatterien des Start-ups müssen wahrscheinlich etwa vier Stunden lang aufgeladen werden, um Tag und Nacht konstant Wärme liefern zu können.

Eine der größten Herausforderungen für Wärmespeichertechnologien besteht darin, genügend Systeme zu bauen, um den enormen Energiebedarf der Schwerindustrie zu decken. Der Sektor verbraucht eine "monströse Menge an Wärme", sagt Rebecca Dell, Senior Director of Industry der gemeinnützigen Stiftung "ClimateWorks". Von der gesamten jährlich in der Industrie verbrauchten Energie werden etwa drei Viertel als Wärme verbraucht, während Strom nur ein Viertel ausmacht. Industrielle Wärme macht etwa 20 Prozent des gesamten weltweiten Energiebedarfs aus.

Fossile Brennstoffe waren die naheliegendste und wirtschaftlichste Möglichkeit, diese massiven industriellen Prozesse zu betreiben, aber die Preise für Wind- und Solarenergie sind in den letzten Jahrzehnten um über 90 Prozent gefallen. Dell zufolge hat dies der Elektrizität eine größere Rolle in der Industrie ermöglicht. "Wir befinden uns in einem großartigen Moment, in dem wir aufhören können, Material für unsere Wärme zu verbrennen, und das auch noch billiger ist", sekundiert O'Donnell.

Es gibt auch noch einige andere Möglichkeiten, billige erneuerbare Energie in der Industrie zu nutzen. Einige Anlagen könnten so umgestellt werden, dass sie anstelle von großer Hitze direkt Strom verwenden. Unternehmen arbeiten beispielsweise an elektrochemischen Prozessen zur Herstellung von Zement und Stahl, obwohl der Austausch der gesamten Infrastruktur in bestehenden Anlagen Jahrzehnte dauern könnte. Die Nutzung von Elektrizität zur Erzeugung von Wasserstoff, der später zur Stromerzeugung verbrannt werden kann, ist ein weiterer möglicher Weg, der allerdings in vielen Fällen noch zu teuer und ineffizient ist.

Jede Anstrengung, den massiven Wärmebedarf der Industrie zu decken, erfordert eine drastische Ausweitung der Stromerzeugung. Laut Dell verbraucht ein normales Zementwerk beständig etwa 250 Megawatt an Energie, hauptsächlich in Form von Wärme. Das entspricht dem Strombedarf von etwa 250.000 Einwohnern. Die Elektrifizierung einer großen Industrieanlage bedeutet also einen zusätzlichen Strombedarf, wie ihn eine ganze Kleinstadt braucht.

Rondo ist in seinem Bestreben, Wärmebatterien in der Industrie einzusetzen, nicht allein. Das kalifornische Unternehmen Antora Energy baut ebenfalls Wärmespeichersysteme, die auf Kohlenstoff basieren. "Es ist super einfach – es sind buchstäblich nur massive Blöcke", sagt Mitbegründer und COO Justin Briggs.

Anstatt ein separates Heizelement wie die "Toaster-Spule" von Rondo zu verwenden, um Strom in Wärme umzuwandeln, setzt das System von Antora Kohlenstoffblöcke als Widerstandsheizer, die sowohl Wärme erzeugen als auch speichern können. Dadurch könnten Kosten und Komplexität gesenkt werden, erklärt Briggs. Allerdings bedeutet diese Entscheidung auch, dass das System sorgfältig umschlossen werden muss, da Graphit und andere Kohlenstoffarten bei hohen Temperaturen in der Luft zersetzt werden können.

Anstatt nur Wärme an die Industrie zu liefern, plant Antora auch eine Option zur Stromerzeugung anzubieten. Der Ansatz des Start-ups beruht auf Thermophotovoltaik, also Geräten, die den Sonnenkollektoren ähneln, die die Energie der Sonne einfangen. Die Geräte von Antora fangen stattdessen die von den heißen Blöcken abgestrahlte Wärmeenergie ein und wandeln sie in Strom um.

(vsz)