Vernunftangebot

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Düsseldorf, 14. Juli 2015 – Der Transit zählt seit jeher zu den Vernunftangeboten des Marktes. Die neue Generation soll laut Hersteller alles besser können als seine Vorgänger und zielt geradewegs auf den Mercedes-Benz Sprinter. Ford brachte das große Modell mit erheblichen Ambitionen in Stellung. Kann er dem Marktführer gefährlich werden? Der Transit bietet viel Transporter fürs Geld, in Sachen Technik fuhr er aber nie vorneweg. Solide war er aber immer, man musste nur mit kleinen Nachlässigkeiten leben können.

Der neue Transit hebt sich mit nostalgisch wirkender Rundhauber-Optik von seinen kleineren, eher dynamischen Markenkollegen ab. Der große Transporter ist wahlweise als Front- oder Hecktriebler, für den harten Einsatz sogar als Allradler zu haben, aber nur bis 3,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht. Das schwere Transporter-Geschäft verrichtet man besser mit Heckantrieb, diese Meinung teilen die Kölner mit Mercedes-Benz und anderen Wettbewerbern.

Hohe Achslastreserven

Die kleinste Variante des Ford Transit ist der "L2/H2". Die Länge L1 und die Höhe H1 gibt es nicht. Der getestete 3,5-Tonner ist sechs Meter lang (L3) und 2,54 m hoch (H2). In diesem Format fasst der Laderaum elf Kubikmeter bzw. vier Europaletten. Die kann man auch bequem mit dem Stapler laden, von rechts, von links und von hinten. Die 1,30 m breiten und fast dachhohen Schiebetüren lassen sich mit wenig Kraftaufwand ziehen, das Heckportal öffnet hoch, weit und breit. Fast 1300 Kilogramm gelten in dieser Fahrzeugklasse als guter Kompromiss, zumal da die zulässigen Achslasten hohe Reserven aufweisen: Mit 1750 Kilo an der Vorderachse und 2250 Kilo hinten muss schwere Ladung nicht punktgenau positioniert werden. Jetzt ganz vorzüglich: Der Laderaum wird mit LED's fast taghell ausgeleuchtet, ohne Aufpreis.

Besonders herbe Kritik musste der Vorgänger wegen seines antiquierten Fahrerplatzes einstecken. Heute sitzt der Fahrer deutlich bequemer, das Lenkrad kommt ihm in Höhe und Neigung entgegen. Nur sehr große Fahrer hadern mit mangelndem Beinraum links, wo das Radhaus stört. Das Lenkrad ist klein und handlich, geschaltet wird wie bisher mit einem "Joystick" am Armaturenträger. Eine Automatik bietet Ford hierzulande nicht an.

Die Bedienung ist noch immer fummelig, das Radio lässt sich wahlweise an der Lenksäule oder an der unübersichtlichen Mittelkonsole regeln. Zahlreiche Funktionen lassen sich über Menüs regeln. Bluetooth, MP3-Player und USB-Datenträger verarbeitet Ford's "Sync"-System, sogar die Apps auf dem Fahrer-Smartphone lassen sich mit einfachen Sprachbefehlen steuern. Die automatische Notruffunktion hat bisher kein Wettbewerber im Programm.

Diesel-Monokultur

Unter der rundlichen Haube sitzen noch immer Euro 5-Motoren, sie finden in den Verkaufsunterlagen auch nur wenig Erwähnung. Die einheitlich 2,2 Liter großen Diesel-Vierzylinder leisten 74 kW/100 PS, 88 kW/125 PS und 114 kW/155 PS, Ottomotoren gibt es nicht und damit auch keine Option auf Gasantrieb. Der Testkandidat begnügt sich mit 125 PS, die grundsätzlich vollkommen ausreichen. Wer angesichts satter 350 Nm Drehmoment ein kräftiges Anfahrvermögen erwartet, wird vorerst enttäuscht. Der erste Antritt ist nicht übel, aber eine harmonische Fahrweise will nicht gelingen.

Der Motor gönnt sich beim Schalten eine Gedenksekunde, bis die Drehzahl passend fällt. Und die Getriebeabstufung passt auch nicht so recht. Ein kurzer erster Gang, dann ein großer Sprung in den zweiten und dritten. Der "halbstarke" Transit verlangt nach etwas Drehzahl, enge Radien verlangen nach kleinen Gängen – eine souveräne Fahrweise sieht anders aus. Eine Automatik oder ein Doppelkupplungsgetriebe könnte hier segensreich wirken. Kommt der Transit auf Touren, beschleunigt er artgerecht, in rund 18 Sekunden ist er auf 100 km/h. Auf der Autobahn schafft er gestoppte 148 km/h und braucht dafür etwas Anlauf. Der Vierzylinder dreht, wenn er muss, recht zäh und lustlos.

Dafür verbraucht er im Test nur 8,8 Liter Diesel auf 100 keineswegs langsam gefahrenen Kilometern. Wer es auf der Autobahn recht eilig hat, schrammt an der 11-Liter-Marke. In der Stadt spart der Transit mit seinem "Econetic-Paket", das ein Start-Stopp-System plus die intelligente Batterieladetechnik enthält. Sportliche Ampelstarts gehören damit der Vergangenheit an, ganz im Sinne des Erfinders. Die Start-Stopp-Automatik arbeitet erst mit gut durchgewärmtem Motor und voll geladenen Batterien.

Lob der Einfachheit

Auch wenn das Fahrwerk einfach konzipiert ist, sehen wir hier keinen Makel. Selbst bei Leerfahrten poltert der Hecktriebler nicht ungehobelt über Schlaglochstrecken. Beladen ist der 3,5-Tonner mit gediegenem Federungskomfort unterwegs. Der große Transit ist kein Kurvenkünstler, aber ein berechenbarer Untersteuerer, der sich in engen Kurven selbst abbremst. Allerdings sollte der Ford im Winter genügend Ballast im Heck haben, damit er bei Schnee und Eis noch aus der Parklücke kommt. Der große Kölner bremst jetzt auch gut, ohne das teigige Gefühl am Pedal wie beim Vorgänger. Das adaptive ESP-System sorgt serienmäßig mit einer ganzen Palette elektronischer Assistenten für zusätzliche Sicherheit, gegen Aufpreis bekommt der Kunde Fahrspur-Assistent und Müdigkeitswarner. Das Sichtpaket "Premium" in der Optionsliste bietet für 950 Euro Aufpreis zusätzlich elektrisch klappbare Spiegel, ein Parkpilot-System plus Rückfahrkamera und einen Scheinwerferassistenten mit Tag-Nacht-Sensor.